Krieg – das ist das Arbeitsfeld des Roten Kreuzes. Zumindest das IKRK ist in Konfliktgebieten immer aktiv. Nach 10 jahren in der Rotkreuz-Pressearbeit werde ich daher hellhörig, wenn ich im Kursprogramm des Österreichischen Kuratoriums für Journalistenausbildung über eine Ausbildung für Kriegsjournalisten lese. Nicht zuletzt die internationale Delegiertenausbildung, der Basic Training Course (BTC) hat mich für das Thema sensibilisiert – auch einige (Medien-)Auslandseinsätze bei Katastrophen, aber auch in Konfliktgebiete (Darfur) haben mir zumindest grobe Allgemeinbildung zu diesen Themen angedeihen lassen.
Die Idee an sich klingt ja interessant:
Sie kennen die Ohnmacht, die in Ihnen aufsteigt, wenn Sie lesen, dass wieder ein Journalist im Irak, in Afghanistan oder einem anderen Kriegsgebiet getötet wurde? Alleine in diesem Jahr schon 62 mal! Wir wollen helfen, solche Meldungen zu vermeiden. Die Erste Internationale Ausbildung für Kriegsjournalistinnen und Kriegsjournalisten, die vom 2. bis 7. Dezember 2007 in Montepulciano und Pienza (Italien) stattfindet, bereitet Reporter auf die Berichterstattung aus den Krisenregionen dieser Welt vor. Dies ist der Auftakt einer Reihe von jährlich acht Seminaren zum Thema.
Auch die Inhalte scheinen beim ersten Überblick zum größten Teil wichtig und notwendig. Doch dann habe ich die Details des Curriculums gesehen:
Erste Hilfe – einschließlich lebensrettender Maßnahmen wie das Legen peripherer Zugänge und die Verabreichung schmerzstillender Injektionen (Quelle)
Nicht, daß ich irgendjemanden neidig wäre, aber das Legen peripherer venöser Zugänge ist eine Fertigkeit (und das weiß ich aus eigener Erfahrung), die nur klappt, wenn man sie regelmäßig übt. Selbst einem Notfallsanitäter mit adäquater Ausbildung und rechtlicher Erlaubnis (NKV) werden diese Kompetenzen nur unter ganz strikten Voraussetzungen gegeben, weil es nicht leicht ist – wie soll ein Journalist – und das soll jetzt nicht beleidigend sein – unter großem Streß dann die Ruhe haben, jemand anderem korrekt einen Zugang zu legen und über diesen dann Schmerzmittel (das wäre in Österreich auch einem Notfallsanitäter verboten) zu geben.
Was aus meiner Sicht in diesem Curriculum dafür fehlt ist der ganze Bereich des Kriegs- und Völkerrechts, das auch für Journalisten gilt. Hier gibt es vom IKRK zum Beispiel eine Hotline für Journalisten in Kriegsgebieten und eine Broschüre dazu.
Zusätzlich, und das finde ich bei diesem Angebot ebenso suspekt, fehlen ausser den zwei Organisatoren Manuela Feyder und Franz Hutsch die Namen der Trainer und Vortragenden. Was man leicht findet ist der Preis: 1500 Euro pro Person.
Zwei Nachträge (19.09.2007):
Bernhard hat mir geschrieben:
du könntest noch einen lesetipp anhängen: Augenzeugen. Kriegsberichterstattung vom 18. zum 21. Jahrhundert von Ute Daniel (Broschiert – März 2006) oder: Kriegskorrespondenten : Deutungsinstanzen in der Mediengesellschaft von Barbara Korte und Horst Tonn (Broschiert – August 2007)
Und Robert meinte:
bin kein sani, kenn mich da nicht aus. aber prinzipiell ja (z.b. ihl), da gibt´s von gutman/rieff das hervorragende projekt www.crimesofwar.org.
Diesem Beitrag kann ich nur voll und ganz zustimmen!
Ein Journalist ist Journalist und nicht Arzt! Diese „Aufgabenteilung“ hat schon seinen Sinn, besonders solche Stresssituationen erfordern Konzentration auf eine Tätigkeit, sein persönliches Spezialgebiet, um effizient auf die eine oder andere Weise helfen zu können.
Informationen über das Völker- sowie Kriegsrecht wäre jedem Journalsiten anzuraten, der in ein Krisengebiet geht, um seine Berichterstattung noch fundierter und hintergründiger zu machen.
Petra Griessner
Höchst spannende Einwände dagegen, Journalisten darin zu unterweisen, Infusionen legen zu können. Nur eine Frage beantworten sie nicht: Was tue ich, wenn ein Kollege schwer verletzt in Afghanistan, dem Irak oder im Sudan vor mir zusammenbricht.
Meine Erfahrung in 12 Jahren Berichterstattung aus Kriegsgebieten zeigt, dass dann folgende Faktoren die Handlungsmöglichkeiten bestimmen:
– ein Transport des Verletzten über eine Strecke bis zu 300 Kilometern oder bis zu zwei Stunden im Fond oder Kofferraum,
– zuerst aus einer Kampfzone heraus, das heißt unter Beschuss, Granateinschlägen und Luftangriffen,
– erst dann wird man sich in eine lange Schlange anderer Verletzter und Kranker einreihen, um den Verletzten in die Hände eines Arztes geben zu können.
Also, was tun wir dann in so einer Situation? Die Beiträge meiner Vorschreibenden lassen nur einen Schluss zu: Lass den Kollegen liegen und bete. Infusionen legen darfst und kannst du ja nicht.
Deshalb lehren während der Internationalen Ausbildung für Kriegsjournalisten erfahrene Notärzte, wie Venen punktiert und Infusionen gelegt werden. Übrigens: Den Lehrgangsteilnehmern wird vermittelt, dass diese Tätigkeit Übung, Übung und nochmals Übung braucht.
Die Rechtsgrundlage dafür – interessant, dass sich in Bagdad, Kandahar oder Dafurr diese Frage überhaupt stellt: keine. Genau die muss geschaffen werden, wie übrigens auch ein völkerrechtlich verbindlicher Schutz für Journalisten in Kriegsgebieten geschaffen werden muss. Nicht zufällig steigt die Zahl der in kriegerischen Konflikten getöteten Reporter seit den Balkankriegen kontinuierlich an: Die Weltöffentlichkeit soll ausgeschaltet werden, wenn Kriege nicht mehr „chirugisch genau“ geführt werden und „Kollateralschäden“ den Alltag bestimmen. Übrigens wollen das alle Kriegsparteien, wie der Beschuss des Pälestine-Hotels in Bagdad zeigt.
Ziel des Kongresses im Oktober 2008 ist es deshalb unter anderen, einen völkerrechtlich verbindlichen Status für Kriegsreporter durchzusetzen und eine rechtlich abgesicherte „Erste-Hilfe“-Ausbildung umzusetzen, die der von Offizieren in der zivilen Seefahrt entspricht.
Und übrigens: Das aus dem Lehrgangsteilnehmern und ihren Ausbildern entstehende Netzwerk soll ebenso seine eigene Hotline für Kriegsreporter installieren wie den Erfahrungsaustausch und gegenseitige Hilfe organisieren. Der Joachim-Friedrichs-Satz, dass sich ein Journalist mit keiner Sache gemein macht, auch nicht mit einer Guten – kann dann auch auf das IKRK und seine Hotline angewandt werden.
„Zusätzlich, und das finde ich bei diesem Angebot ebenso suspekt, fehlen ausser den zwei Organisatoren Manuela Feyder und Franz Hutsch die Namen der Trainer und Vortragenden. Was man leicht findet ist der Preis: 1500 Euro pro Person“, schreibt einer meiner Vorgänger.
Ein wenig lesen auf der Website hätte da geholfen: Auf der Internetseite findet der interessierte Leser alles, insbesondere die Unterstützer, die die Ausbildung und das Gesamtkonzept begleiten. Für 1.500 Euro werden sechs Tage und eine Nacht praktische Ausbildung geboten, die von 30 Rollenspielern für das Szenario, einem Ausbilder und einem Geländewagen für je drei Lehrgangsteilnehmer, einem Psychologen und einem Notarzt unterstützt werden und Unterbringung sowie die Lehrgangsunterlagen eingeschlossen sind. Die Referenten, die allesamt noch als Kriegsreporter, als Soldaten, als Angehörige von NGOs in Kriegsgebieten arbeiten, wechseln von Lehrgang zu Lehrgang. Im Vordergrund steht für uns, dass Erfahrungen aus der Parxis für die Praxis weitergegeben werden.
Das im Journalismus weitverbreitete Namedropping ist nicht unser Ziel. Unser Schwerpunkt liegt auf der Vermittlung von Inhalten und nicht bei den mitunter interessanten Erzählstunden vermeintlich erfahrener und bekannter Kriegsreporter.
Die Ausbildung wird ständig wissenschaftlich begleitet. Das ist bei anderen Angeboten zu diesem Thema, beispielsweise dem von der deutschen Bundeswehr oder der Schweizer Armee, nicht der Fall. Das ist für mich suspekt.
Wenn Sie recherchieren sehen Sie auch, dass wir bei diesem Projekt frei von jeder staatlichen Förderung sind. Wenn unser Gesamtkonzept mit Ausbildung, Kongress und Netzwerk irgendwann einmal auch unsere persönlichen, nicht unerheblichen Investitionskosten wieder einbringt, freuen wir uns darüber natürlich.
Vielen Dank für den kritischen Kommentar.