Wieder ein Beitrag zur NPO-Blogparade. Diesmal als Wortspende zum Thread von Günter Bressau, der sich fragt, ob es Unterschiede zwischen den web2.0-Strategien gibt, zwischen erwerbswirtschaftlich organisierten Unternehmen und NPOs.
Seit ich mich mit Marketing beschäftige und insbesondere seitdem ich mit der Philosophie des Web 2.0 in Berührung gekommen bin beschäftigt mich unter anderem die Frage, ob sich Unterschiede zwischen Konzeption und Umsetzung von Web 2.0-Marketingstrategien bei Nonprofit-Organisationen und profitorientierten Unternehmen ergeben. (Günter Bressau)
Interessante Frage. Das mal vorweg.
Auch wenn man im Bereich der obersten Logik von Organisationen einen Unterschied zwischen NPOs und POs konstruieren kann – im Sinne der neoliberalen Logik wird hierbei die Nutzenmaximierung aus ökonomischer Perspektive als einzig gültige definiert – so nivelliert sich dieser im strategischen Marketing, sobald es um die Erreichung ganz konkret messbarer Ziele geht, die durch unterschiedliche Maßnahmen erreichbar sind. Zudem zeigen verschiedene sozioökonomische Studien, dass auch in Firmen die meisten Entscheidungen nicht von ökonomischen Gründen gelenkt werden, sondern durchwegs sozialen Ursprungs sind und im Sinne einer Illusion ex-post dann in einem ökonomischen Begründungszusammenhang gestellt werden, da sind sie durchaus gleichzusetzen, mit den vielen NPOs, deren Altruismus im day2day-Job auch von ganz banalen sozialen Restriktionen relativiert wird.
Will ich als Marketer (c.p.) mit einer Message 100, 1.000 oder 100.000 Menschen erreichen, so ist es völlig unerheblich, ob die organisationsimmanente Logik nun ökonomisch oder altruistisch funktioniert. Ich plane meine Maßnahme, setze sie um und messe im Anschluss den Erfolg. Dabei ist es in Wirklichkeit irrelevant, ob man Seife verkauft, oder eine Idee.
Aus der Sicht des strategischen Marketings ist es wirklich relativiert, woher nun der Impuls zur Kommunikation kommt. Interessant ist in jedem Fall, dass in diesem Bereich gerade die POs ihre immanenten Ziele der Profitmaximierung in ihren Marketingstrategien verschleiern und oftmals genau die altruistischen Ziele vorgaukeln, deren sich eigentlich die NPOs bemächtigen solten.
Ich denke daher nicht, dass sich die strategischen Planungen für Social-Media-Auftritte zwischen NPOs und POs unterscheiden, so ihre Strategien Top-Down richtig formuliert sind und die Nahrstellen zwischen den einzelnen Strategie-Ebenen adäquat ausgeprägt sind. In der Realität – und das wissen wir ja alle – wird jedoch nicht so heiß gegessen wie gekocht. Soziale Reibungsverluste könnte man derartige Diskrepanzen zwischen den Modellen der Business-Schools und der Realität nennen: Für strategische Planung ist ja irgendjemand zuständig, doch umgesetzt wird das, was der Chef anschafft, oder noch besser: Man macht alles, was er nicht verbietet, der Boss.
Diese soziale Realität unterscheidet sich wohl auch wenig zwischen NPO und PO, allerdings die dahinterstehenden Ressourcen. Kann man im PO-Bereich ohne Probleme Zig-Tausend Euro für ein Social-Media-Konzept auszugeben, oder für eine Studie, mit welchem Web2.0-Tool man seine Zielgruppe sinnvoll targeten kann, wenn man nur eine gute Begründung dafür hat und ein Budget, so sind derartige Vorgangsweisen gerade in kleinen NPOs eher unvorstellbar.
Was wird statt dessen gemacht? Einfach probiert. Management by „Probieren wir mal“. Das funktioniert mal, dann wieder nicht. Frei nach Darvin ergeben sich so Evolutionistische „bottom-up“-Web2.0 Strategien, indem das zum Standard erklärt wird, was funktioniert. Dass in Summe an Personalressourcen und Streuverlusten sehr viel Kapital flöten geht, sieht ja niemand, weil diese Ressourcen in der Buchhaltung nicht aufscheinen. Man produziert sozusagen, um in der Sprache der Ökonomie zu bleiben, einen Wohlfahrtsverlust, durch Nichtausnutzen von Optimierungspotential.
Noch etwas postuliert Günter Bressau:
Wie in der Einleitung bereits angekündigt ist meine Meinung eindeutig: Da Wirtschaftsunternehmen in Bezug auf Web 2.0 doch eindeutig die Nase vorn zu haben scheinen, kann in der Regel derzeit am besten von diesen gelernt werden.
Ich kann diese Einstellung nicht ganz teilen. Wenn ich mir meine Web2.0-Partizipation ansehe, so sind die meisten der Tools jetzt nicht direkt im PO-Bereich zu sehen – gerade die Open Source Community als NPO-Szene war und ist im Social Media Bereich deutlich Vorreiter. Vielleicht sind die klassischen NPOs, wie sie im Deutschsprachigen Raum seit der Etablierung des Bürgertums in der ersten Moderne entstanden sind, nicht die besten Implementierungsbeispiele, wenn man sie mit grossen Konzernen vergleichen mag. Doch es gibt ja auch andere NPO-Beispiele, und einige Berichte, die gerade behaupten, dass Unternehmen das Web2.0 noch deutlich weniger nützen, als dies NPOs tun. Wie immer bei Statistiken kommt es allerdings drauf an, wer die Statistik gemacht hat, und was er damit bezwecken wollte.
In jedem Falle muss man sich im Klaren sein, egal ob es nun eine PO oder NPO ist, dass man „die Geister, die man rief“, nicht mehr leicht los wird. Web2.0 und Social Media bedeutet auch, mit der Community zu partizipieren, die Kommunikation auf Dialog umzuschalten und Steuerung in Richtung Kooperation zu verändern. Das zeigen beispiels weise auch McKinseys Kritische Erfolgsfaktoren für Web2.0 Implementationen, die zwar aus der Perspektive einer Unternehmensberatung klar den PO-Bereich betrachten, in den meisten bereichen trotzdem auch für NPOs in betzracht gezogen werden können.
Wie beantworte ich nun Günter Bressaus Frage, ob sich Unterschiede in “ Konzeption und Umsetzung von Web 2.0-Marketingstrategien bei Nonprofit-Organisationen und profitorientierten Unternehmen ergeben“?
Mit einem klaren Jein!
Die herrschende Lehre würde keine Unterschiede sehen, da die strategische Ebene, auf der eine derartige Strategie entwickelt und umgesetzt wird, klar von der Organisationssteuernden Logik entkoppelt ist, die Praxis zeigt aber, dass die theoretische Modellierung derartig weit weg von der Realität ist, dass die Abweichungen wieder relevant werden und daher mitunter Unterschiede entstehen lassen, wenn diese auch eher sozialen Ursprungs sind und gar nicht auf die ursprüngliche Differenz (PO/NPO) zurückzuführen sind.
Sehr guter Artikel! Diese Art von professioneller Auseinandersetzung mit strategischen Themen rund um Web 2.0 und NPO wünsche ich mir!
Besonders motivierend ist bereits der Einstieg über die Ziele und Gründe des Verhaltens von Organisationen im Wechselspiel zwischen der Systemik von nicht gewinnorientierten und gewinnorientierten Unternehmen. Erfolg ist dabei Maß aller Dinge – sowohl für den einen als auch für den anderen Bereich. Wobei der Top-Down-Ansatz strategische Vorteile bieten soll, was jedoch in der Betrachtung an anderer Stelle vertieft werden müsste.
Kritisch bin ich jedoch in der Nutzungsbetrachtung: Die OpenSource-Gemeinde hat sicher einen Großteil der Software-Entwicklung mitbestimmt, diese Tools werden vielzählig im Social Media-Bereich eingesetzt – jedoch nicht in dem Maße von NPOs, wie im gewinnorientierten Bereich. Und das ist im Sinne der Philosophie des Web 2.0 ausschlaggebend.
Dem klaren Jein zur Unterscheidung der Web 2.0-Marketingstrategien bei Nonprofit-Organisationen und profitorientierten Unternehmen möchte ich mich auf jeden Fall anschließen. Ein weiteres Problem ergibt sich daraus, dass der NPO-Bereich an sich so vielfältig und kaum erfass- bzw. abgrenzbar scheint, dass alleine in ihm selbst Abweichungen zu vielfältigsten Unterschieden führen. Was das für die Entwicklungsmöglichkeit einer Gesamtstrategie(-empfehlung) bedeutet, ist klar.