Rotes Kreuz: Gefällt mir!

Ein Interview aus henri 13|2012

Ist zwar schon vergangenes Jahr erschienen, ich finde inhaltlich aber noch immer passend. Ein Interview mit mir im henri, das Magazin, das fehlt.

Welche Rolle das Rote Kreuz in Facebook spielt und warum sich niemand vor unkontrollierten Meinungsäußerungen fürchten muss, erklärt Webmaster Gerald Czech.

Gerald Czech ist Webmaster des Österreichischen Roten Kreuzes. Der Sozioökonom ist seit über 20 Jahren auch Rettungs- und Notfallsanitäter.

henri: Herr Czech, welche Rolle haben die neuen Medien für das Leitbild gespielt?
Gerald Czech: Ohne unsere Online-Befragungs- Tools hätte es nicht partizipativ, also gemeinsam, entwickelt werden können. Es ist, überspitzt formuliert, ein
Leitbild 2.0.
Welche Rolle spielen neue Medien generell in einer Organisation,die „mit der Kraft der Menschlichkeit das Schicksal von Menschen in Not verbessert“?
Früher waren IT-Systeme Experten in weißen Mänteln vorbehalten. Heute stehen die Technologien in jedem Smartphone zur Verfügung. Mein Mobiltelefon hat
mehr Rechenkapazität als ein Riesen-Rechenzentrum in den 1970er-Jahren, das muss man sich einmal vorstellen. Damit hat sich auch verändert, wie und mit
wem wir kommunizieren.
Herkömmliche Massenmedien werden dabei an Bedeutung verlieren?
Genau. Wir erhalten Informationen jetzt auch aus der sogenannten „Crowd“, der Menge an Personen in unseren Freundeskreisen, die Nachrichten weiterleiten
und teilen. Auf diese Weise hat sich die Zahl der persönlich weitergegebenen Nachrichten vervielfacht.
Und was bedeutet das für das Rote Kreuz?
Das Rote Kreuz war immer schon so etwas wie ein soziales Netzwerk, allerdings ohne digitalen Ursprung. Wir sind in Österreich eine „Crowd“ von fast 65.000
Männern und Frauen, die eine Idee von Menschlichkeit teilen. „Aus Liebe zum Menschen“ werden Leistungen an Bedürftigen erbracht. Warum sollen wir dieses
Netzwerk der Menschlichkeit nicht auch digital abbilden, zum Beispiel auf Facebook?
Wie kann das funktionieren?
Genauso wie die Mundpropaganda ohne Netz. Warum nicht auf Facebook oder StudiVZ sagen, dass man Nachtdienst macht, bei der „Team Österreich Tafel“
mithilft? Warum nicht anmerken, dass das einen Riesenspaß macht, wenn es so ist? Warum nicht dieses Tool gleich mitverwenden, wenn es um die Gesamtkommunikation
unserer Organisation geht?

Vielleicht weil man damit die Steuerung der Kommunikation abgibt?
Ich denke nicht, dass Kommunikation „gesteuert“ werden kann. Das Rote Kreuz und seine Leistungen sind sowieso Themen in den sozialen Medien. Wir können
dabei sein, zuhören, die Herausforderung der partizipativen Kommunikation annehmen – oder diesen Teil des sozialen Lebens ausblenden. Steuern werden
wir das Ganze nicht mehr können.
Das heißt, jeder macht, was er will?
Es war uns bald klar, dass es auch in den sozialen Medien gemeinsame Standards geben muss, um eine einheitliche Kommunikation zu sichern. Im Web gelingt
das durch ein gemeinsames, bundesweites Portal, das die individuellen Rotkreuz-Organisationseinheiten zusammenfasst. Einheit in der Vielfalt, sozusagen.
Aber wie garantiert man diese Einheit auf Facebook?
Der Wunsch nach einer einheitlichen „Social Media Policy“ kam von den Landesverantwortlichen. Für sie waren die Herausforderungen wegen der großen Zahl an
Dienststellen und damit der Gefahr einer unkoordinierten und heterogenen Kommunikation am größten.
Wie ist diese „Policy“ entstanden?
Entweder ich schreibe selbst Vorschriften, die dann möglicherweise nur auf dem Papier existieren, weil sie am Zielpublikum vorbei entwickelt werden. Oder ich
lasse das Zielpublikum mithilfe der neuen Medien „mitschreiben“. Auch hier ist der partizipative Charakter des Web 2.0 nützlich. Dieser zweite Weg, den wir
bereits beim Leitbild gewählt haben, hat zudem den Vorteil: Das Bekenntnis derjenigen, die von der Norm betroffen sind, ist nachhaltiger. Sie waren ja bei ihrer
Entstehung eingebunden.
Die Mitarbeiter geben sich die Regeln selbst?
So kann man das sagen. In einer letzten Runde im Entstehungsprozess der Social Media Policy haben wir sogar Externe im Zuge eines „Online Volunteering“-
Projekts eingeladen, ihre Kommentare abzugeben.
Und funktioniert diese Policy?
Ja, sehr gut. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind eine selbstregulierende Community. Wenn jemand ein Foto postet, das nicht in die Richtlinien passt, oder
fragwürdige Aussagen trifft, dann fragen die lokalen und regionalen Kolleginnen und Kollegen nach, ob man sich den Post vielleicht nicht doch noch einmal
überlegen möchte. In den meisten Fällen muss niemand aktiv einschreiten.
Gab es Nebenwirkungen?
Ja, aber keine unerwünschten. Weil sich auch Geschäftsführer, mittlere Führungskräfte und Präsidenten mit dem Thema beschäftigt haben, war das Thema
Social Media und vor allem Facebook auf einmal nicht mehr nur „Jugendkram“. Sondern soziale Medien wurden in den Kreis der alltäglichen Kommunikationsmittel
aufgenommen.

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