Pushups und Pull(er)männer? Zu Begriffen der aktuellen Diskussion rund um Flucht& Migration

Push-Faktoren und Pull-Faktoren?

Die Begrifflichkeiten aus der Wirtschafts-Geographie beschreiben allgemeine sozialpsychologische, wirtschaftliche und individuelle Faktoren, die dazu führen, dass jemand seine Heimat verlässt und sich auf den Weg in andere Lebensräume macht. Das kann innerhalb eines Landes sein und führt zu Landflucht und Urbanisierung, innerhalb eines Kontinents oder auch Interkontinental. (vgl. Lee, 1966[1])

Diese Faktoren sind bloß beschreibender Natur und so unterschiedlich, wie die Menschen und ihre Perspektiven. Dieser Theorie liegt ein ökonomistisches und utilitaristisches Paradigma zugrunde, das andere grundlegende Studien der vergangenen über 50 Jahre ignoriert. Es wird angenommen, Menschen verhalten sich wie physikalische Körper und streben immer den höchsten Nutzen an, komme was wolle. Unbestritten hat Migration mit der Situation vor Ort zu tun, die Richtung ist auch von der Situation im Zielland bestimmt. Eine Reduktion auf ein Vier-Felder-Argumentarium für die Migrationspolitik ist mir zu banal. Dieser Report zeigt zudem, dass Seenotrettung dazu keinen Teil beiträgt..

Ethik und die Imperative

Humanitäre Organisationen, wie auch das Rote Kreuz, also helfen nicht aus Utilitarismus– nicht zweck- und nutzengerichet. Es ist der humanitäre Imperativ, der die Grundlage des menschlichen Handelns darstellt: Zu helfen, wenn jemand Hilfe benötigt. Ohne Frage nach Herkunft, Glauben, politischer Überzeugung und auch ohne sich dafür zu interessieren, warum jemand in dieser Notlage ist. Es ist den Helfenden daher auch egal, ob jemand verschuldet in Not kommt. Das ist die Antwort, die humanitäre Grundsätze auf die ethische Frage geben, wie man Handeln soll.

Wir sind da, um zu helfen. Aus Liebe zum Menschen. Das sind die zentralen Werte des Roten Kreuzes. Menschlichkeit, also das Leid anderer zu sehen und zu erkennen und situationsadäquat Hilfe zur Verbesserung zu leisten – das ist der Kern des Rotkreuz-Handelns.

Das ist ein Bezug auf ein philosophisches Prinzip des menschlichen Zusammenlebens, auf ethische Grundwerte. Diese Perspektive ist aus der Sicht des „praktischen“ und vermeintlich „ökonomisch“ Denkenden nicht zugänglich. Es gibt auch im Mittelmeer keine „unsichtbare Hand“ (nach Adam Smith), die Erwachsene und Kinder vor dem Ertrinken rettet. Dafür braucht es Menschen, wie die Besatzung der Aquarius.

Gibt es eine Lösung?

Die Pull(er)männer mit dem rein ökonomistischen Ansatz gehen davon aus, dass sich alle Faktoren berechnen lassen und durch das Drehen am richtigen Rad „feinjustiert“ werden. Wenn genügend Menschen ertrinken, wird die Indifferenzkurve zwischen der Meeresüberquerung und dem Leiden daheim verändert – das Haushaltsoptimum wäre dann in Afrika zu bleiben. Oder der Druck dort wird auch höher?

Wer kann sich noch an den kleinen Alan Kurdi erinnern, der am 2. September 2015 bei Bodum im Mittelmeer ertrunken ist? Ökonomisch wohl vernachlässigbar. Für mich nicht.

[1] Lee, Everett(1966): A Theory of Migration. In: Demography, 5. Jahrgang, Nr. 1, 1966, S. 47–57; auch abgedruckt in J. A. Jackson (Hrsg.): Migration. Cambridge University Press, 1969, S. 282–297 (Sociological Studies, Bd. 2) – ISBN 978-0-521-13568-9.

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