Über die Nutzung des Internets als Tool zur Steigerung der politischen Partizipation

Dies ist eine Antwort auf den Artikel von Hannes Jähnert (foulder) als Beitrag zur NPO-Blogparade #8.

Zunächst freut es mich, wenn ein Artikel eine Diskussion anstößt, in dem er Habermas zitiert. Ich fürchte nur, dass Habermas (und das macht ihn mit dem Web 2.0 als Werkzeug zur politischen Partizipation vergleichbar) ein Minderheitenprogramm ist 🙂

Bei uns in Wien erlebt man gerade den Höhepunkt (?) des EU-Wahlkampfs – vielleicht auch ein Grund für meine düsteren Prognosen im folgenden.

Als Kontrast zum erwähnten Jürgen Habermas  möchte ich einen anderen deutschen Soziologen gegenüberstellen:

»Politik« würde für uns also heißen: Streben nach Machtanteil oder nach Beeinflussung der Machtverteilung, sei es zwischen Staaten, sei es innerhalb eines Staates zwischen den Menschengruppen, die er umschließt.

Das ist Max Webers Definition von Politik (in Politik als Beruf). Klar zwischen den beiden zitierten liegen zwei Weltkriege und ein verbrecherisches Mörder-Regime, die ganze Welt ist heute anders konstruiert, aber hat sich die Politik für die meisten Menschen dadurch geändert? Hier geht es mir vor allem um die Rezeption der Politik und der PolitikerInnen.

Doch ich fürchte, meine Argumentation ist ein wenig abgeglitten. Bürger- oder auch Zivilgesellschaftliche Aspekte sind ja für viele NPOs – nicht zuletzt aufgrund ihrer tagtäglichen Versuche der Legitimation über derartige Mechanismen – ihr tagtägliches Thema. Versucht man ihren Einfluss auf das politische System (jetzt würde ich das sogar eher wie Luhmann meinen, um einen dritten deutschen Soziologen in einem Blogpost zu verarbeiten) abzuwägen, so ist dieser jedoch aus meiner persönlichen Sicht stark beschränkt. Beispiel gefällig? Thema Finanzkrise, der gesamte Lebensstandard der Menschen in Europa sinkt, die Zahl der sozial Schwachen und Menschen in Not steigt, auch einige Banken hängen aufgrund ihrer riskanten Engagements in der Luft. Wohin gehen Milliarden Euros der öffentlichen Hand? Richtig, in den Bankensektor.

Zivilgesellschaftliches Engagement und politisches Envolvement im Sinne von Teilhabe sind – und ich weiß, dass ich mich da weit hinauslehne – eher ein Minderheitenthema, ich würde sogar sagen, ein Elitenthema einiger intellektueller Gruppen, lässt man jetzt die jeweiligen Vorfeldorganisationen verschiedenster politischer Parteien außen vor.

Reicht es wenn Politikerinnen und Politiker im Social Web mitmischen, sich präsentieren und Zugänge zu politischer Partizipation schaffen oder sollten politische Partizipationsmöglichkeiten speziell beworben werden, wie es Google auf YouTube in Kooperation mit Euronews tut? Fragt Hannes Jähnert.

Ich denke, dass die direkte Partizipation nicht Teil der Motivation von Politikern ist, denn die Akkumulation von politischem Kapital oder auch von Macht, wenn man es platt sagen möchte, steht dieser Strategie diametral gegenüber. Das politische System funktioniert nach anderen Rationalitäten und ist nicht anschlussfähig an den öffentlichen Diskurs in der Zivilgesellschaft. Zivilgesellschaftliches Engagement orientiert sich an Werten wie Gerechtigkeit, Antidiskiminierung oder Chancengleichheit, in Westeuropa an den Werten der Aufklärung, doch sind diese Werte mehrheitsfähig? Mehrheitsfähigkeit von Werten ist wohl das Argument für die politischen Akteurinnen und das Web ist wohl dafür kein optimaler Kanal, zumindest nicht als single line.

Doch nach so viel an deprimierenden Zeitdiagnosen möchte ich auch noch einige andere Effekte und Perspektiven ansprechen.

Die Einstellungen von Menschen in Europa verändern sich. Das zeigen beispielsweise auch die World-Value-Surveys von Ronald Inglehart. Doch diese Änderungen gehen relativ langsam vor sich. Zudem gibt es einen Hysteresis-Effekt, der auch dadurch entsteht, dass die Politik eher konservativ hinter den Werteentwicklungen hinterherhinkt. So genannte Kohorteneffekte verschieben erst dann die Werte-Kultur deutlich, wenn beispielsweise eine ganz neue Generation von PolitikerInnen in den Ämtern ist.

Diese jüngeren Kohorten sind es, die auf Web 2.0 abfahren, zumindest die – nennen wir sie einmal – Eliten dieser Gruppen sind für derartige Kanäle der Kommunikation empfänglich und motivierbar. Jüngste Tatbestände des „politischen Aktionismus“ in Österreich zeigen allerdings, dass diese Zielgruppen auch für ganz andere emetische Inhalte empfänglich sind und auch selbst „politisch partizipieren“, wenn man derartige Verbrechen in dieser Kategorie überhaupt subsummieren darf – die Akteure, so denke ich, taten dies aber in jedem Fall

Lg

Gerald Czech

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