Wirkung, Wunder, Wilkommenskultur?

Im Dezember 2015 hätte ich – wäre Zeit gewesen – gerne diese Arbeit gemacht. Doch es hat sich viel geändert seit damals. Innerhalb und außerhalb unserer Köpfe.

Versuch eines multidimensionalen sozio-ökonomischen Zugangs zum Thema Koordination altruistischen Verhaltens und Versagen etablierter gesellschaftlicher Institutionen in der reflexiven Moderne anhand der österreichischen Zivilgesellschaft während des Flüchtlingseinsatzes 2015.

Ziel

Im Rahmen von quantitativen und qualitativen Analysen nach einer Grounded Theory-Basierten Methodik sollen unterschiedliche Nonprofit-Organisationen und AkteurInnen der Zivilgesellschaft, sowie deren StakeholderInnen einerseits und ihre MitarbeiterInnen und Mitarbeiter andererseits erforscht werden. Daraus sollen Typologien erstellt werden, sowohl für Organisationen, als auch für Mitglieder entstehen. Ergebnis der Arbeit soll eine praxeologischeder Theorie des „organisational fit“ zwischen den Aufgaben, StakeholderInnen (mit Fokus auf ihren Mitglieder) und der Organisationsstruktur von zivilgesellschaftlichen Akteurinnen und ihren Institutionen entstehen, die im Hinblick auf spezifisch auch auf die sich verändernden mobilen gesellschaftlichen Rahmenbedingungen herausgearbeitet werden fokussiert und damit die Dynamik des sozialen Wandels berücksichtigt.

Das Spielfeld

Zwischen Staatsversagen und Marktversagen, so beschreiben Pennerstorfer und Badelt (2013, S107) den sozialen Raum, den die Zivilgesellschaft moderner Prägung ausfüllen muss. Im Weltbild der Nonprofit-Manager sind diese wirkungsorientierten zivilgesellschaftlichen Akteure selbstverständlich fein strukturiert und halten sich an betriebswirtschaftliche Paradigmata des Marktes und an die Subventions-induzierten Vorgaben des bürokratisch-politischen Staates in Form klar abgrenzbarer und für die gesellschaftsbestimmenden Spieler einschätzbarer Nonprofit Organisationen.

Doch die Spalten sind größer. Auch im Bereich des bürokratisch-politischen Feldes potenzieren sich negative Kompetenzkonflikte die einerseits zwischen den sachlich zuständigen Ministerien einen Raum sachlicher und fachlicher Inkompetenz aufspannen und andererseits im föderalen Bundesstaat trotz klarer Zuständigkeiten ein Handlungsdefizit durch Subsidiarität provozieren. Im Bereich des marktwirtschaftlich-ökonomischen Felds gibt es Kapazitätsprobleme, gleichzeitig lassen sich viele der gewünschten Wirkungen nicht durch ökonomische Optimierung erzielen. Die zusätzlichen KonsumentInnen mit geringer Sparquote sehen die wenigsten.

Der Gamechanger

Die vergangenen Monate haben gezeigt, dass neue gesellschaftliche Herausforderungen durch den weltpolitischen Wandel ihre direkten Wirkungen auch in Österreich entfalten. Globalisierungstheorien, wie sie Giddens (1995) oder Beck (1997) entworfen haben, helfen hier zum Teil die weltweiten Prozesse einzuordnen, wenn auch der Weitblick ihrer Autoren hinsichtlich vorgeschlagener Lösungen durchaus eingeschränkt war. Globale Interessenskonflikte in Verbindung mit regionalen und lokalen Gegenbewegungen verursachen nicht nur die Zerstörung der sozioökonomischen Lebensgrundlagen von Millionen Menschen, sondern bewirken sekundär auch Migrationsbewegungen von Hunderttausenden in Richtung Europa.

Aufgrund mehrerer interdependenter Entwicklungen im Verlauf des Sommers 2015 hat sich die Situation in Mitteleuropa – speziell in Österreich und Deutschland – seit September 2015 radikal verändert. Mehrere hunderttausend Personen sind hauptsächlich über Ungarn bzw. Slowenien nach Österreich eingereist und wurden unter intensiver Beteiligung der Zivilgesellschaft in Österreich medizinisch, sozial und menschlich versorgt und Großteils in Richtung Deutschland weiter transportiert. Rund 5 – 10 % der Flüchtlinge haben in Österreich um Asyl angesucht. Diese Situation hat die bestehende Problematik in der Unterbringung von Asylwerbern noch verstärkt – in Österreich fehlten seit Jahresbeginn tausende Unterbringungsplätze für Personen, die um Asyl angesucht haben. Das Innenministerium entlässt daher seit Oktober Personen nach Abgabe des Asylantrags, die nach Einschätzung der verantwortlichen Beamten als „nicht besonders schutzbedürftig“ eingeschätzt werden, in die Obdachlosigkeit. Mit Stand Ende Dezember befinden sich allein rund 8.000 Personen, die in Österreich bleiben wollen in Notquartieren der Hilfsorganisationen, Großteils in Wien.

Die Player

Neben den bekannten AkteurInnen aus Verwaltung, Politik und den etablierten Nonprofitorganisationen entstanden, nicht zuletzt aufgrund verschiedener Initiativen in den sozialen Medien neue Formen des zivilen bürgerschaftlichen Engagements, beispielsweise Train of Hope. Der Grad der Institutionalisierung unterschiedlicher Organisationsformen des Engagements variierte daher von stark kanonisiert, wie beim Roten Kreuz, über strukturiert bei den etablierten Nonprofit-Organisationen, bis hin zu prä-formatiert bei Team Österreich (vgl. Neubauer 2013), das auch als Eintritts-Struktur in den strukturierten Helferbereich gesehen werden kann, oder ganz ohne formale Organisationsform, wie das der „Train of Hope“ zu Beginn des Engagements war. Einzelnen Engagierten war sogar das zu strukturiert, diese wurden beispielsweise in Spielfeld mit Westen gesehen, auf denen „Independent Volunteers“, also „unabhängige Freiwillige“ stand.

Die erste Spielzeit

Wenn nun die unterschiedlichen Institutionen freiwilligen Engagements auf unterschiedliche Institutionen staatlicher Macht, wie die Polizei, das Innenministerium oder das Bundesheer treffen, so ergeben sich, je nach eigener habitueller Perspektive auf die Gesamtlage ganz unterschiedliche Möglichkeiten der Entwicklung, noch dazu wo ja zu Beginn große Freiräume im Bereich staatlicher Zuständigkeit existierten.

Paradigmatische Verortung

Feld und Habitus

„Der Habitus als ein System von – implizit oder explizit durch Lernen erworbenen – Dispositionen, funktionierend als ein System von Generierungsschemata, generiert Strategien, die den objektiven Interessen ihren Urheber entsprechen können, ohne ausdrücklich auf diesen Zweck ausgerichtet zu sein.“ (Bourdieu 2001, S. 113)

Der Habitus vermittelt zwischen Struktur und Praxis und hat folgende vier Eigenschaften: aufgrund von Sozialisation ist er internalisierte Gesellschaftsstruktur; er steuert unbewusst über ein System von Dispositionen die Praxisformen; die Individuen folgen trotz-dem den eigenen Interessen und Strategien; die Dispositionen sind dauerhaft und stabil, werden oftmals schon in kindlicher Sozialisation internalisiert. (vgl. Müller 1992, S. 257f)

Wesentlich erscheint in diesem Zusammenhang, dass sich die Wirkung des Habitus unbewusst entfaltet. Die subjektiven Dispositionen stellen sich dem Individuum als Handlungsmöglichkeiten dar, die in einer bestimmten Situation bestehen, als Wahlfreiheit oder Alternativen, nicht als Begrenzung der individuellen Freiheit.

In Bourdieus Feldtheorie steht der Habitus der AkteurInnen sozusagen als individueller Schlüssel zum Feld: „Wichtig ist, dass sich die habitualisierten Dispositionen eines sozialen Akteurs in Auseinandersetzung mit der Praxis des Feldes bilden und gegebenenfalls verändern. In der extremsten Form entsteht so ein Habitus, der sich ausschließlich mit dem Feld identifiziert, weil der soziale Akteur seinen gesamten praktischen Sinn aus der Praxis des Feldes gewinnt. So wird er zum Apparatschik, der dem Apparat alles verdankt, und ist folglich nichts weiter als der ‚Mensch gewordene Apparat’“ (Bourdieu 1997d: 44f. zit. in: Hillebrandt 1999, S. 14).

Der Habitus vermittelt für Bourdieu zwischen der Stellung einer Person im sozialen Raum – also auch im beobachteten Feld – und ihrem Verhalten und Einstellungen. Im Habitus hätten sich ihre individuellen Erfahrungen und die ihrer Familie und ihrer Klasse (im Sinne kollektiver Geschichte) verkörperlicht. Zwar sei ausgeschlossen, dass die Mitglieder einer Klasse exakt dieselben Erfahrungen und das auch noch in der gleichen Reihenfolge machten, die Aus-sicht, mit für diese Klasse typischen Situationen konfrontiert zu werden, sei für sie aber sehr viel größer als für die Angehörigen der anderen Klassen. Dieser Habitus stimmt objektive Chancen und subjektive Erwartungen unter Berücksichtigung der eigenen Grenzen aufeinander ab – er verbindet nutzenorientierte Strategien mit Klassen- und Feldspezifischen Verhaltens-formen. (vgl. Müller 1986, S. 163; Hartmann 2005, S. 259; Iser 1983, S. 61f)

Bourdieus Begriff des sozialen Feldes meint differenzierte gesellschaftliche Bereiche, her-vorgegangen aus der Arbeitsteilung, mit eigenen Ressourcen und eigenen Spielregeln für das soziale Verhalten innerhalb dieses Feldes. (vgl. Müller 1992, S. 263; Iser 1983, S. 67)

Diese sozialwissenschaftlich konstruierten Räume, die dazu dienen, soziale Beziehungen und Netzwerke zu verstehen, Klassen abzugrenzen, Relationen zwischen den handelnden AkteurInnen im Feld aufzuzeigen und die Macht-Komplexität in der realen Welt zu analytischen Zwecken zu vereinfachen um diese theoretisch erklären zu können. Der soziale Raum wird da-her zu einem Raum von Unterschieden, von Differenzen und von AkteurInnen mit verschiedenen Wegen und Zielen. Die Ausdehnung eines Feldes ist nur durch die Feldeffekte definiert – wirkt also ein Feld weiter, so hat es eine größere Ausdehnung. (vgl.  Müller 2005, S. 36, Müller 1986, S. 164; Schürz 23.06.1999, S. 2; Anheier et al. 1995, S. 860; Bohn, Hahn 2007, S. 300)

Innerhalb von Feldern geht man davon aus, dass die Akteure um soziale Positionen konkurrieren, das führt dazu, dass sich soziale Strukturen etablieren. Soziale Strukturen im Sinne sozialer Räume in denen die AkteurInnen unter-schiedliche relative Positionen zueinander ein-nehmen, je nach dem in welchem Ausmaß diese verschiedene Ressourcen besitzen. Zusätzlich gibt es unterschiedliche Karrierewege im Feld, so genannte „Trajectoire“, zukünftige wahrscheinliche Positionen eines Akteurs. (vgl. Anh-eier et al. 1995, S. 860 )

Es existiert eine dialektische Beziehung zwischen den objektiven Strukturen der Felder und damit der Gesellschaft und dem subjektiven strukturierenden Handeln der Individuen. (vgl. Joas 2004, S. 530)

Radikale Moderne

Für den sozialen Wandel, der sich im letzten Drittel des vergangenen Jahrhunderts signifi-kant bemerkbar gemacht hat, existieren unter-schiedliche Theorien und Begrifflichkeiten: Die so genannte »Postmoderne« hat ihren Anhalts-punkt Bezigspunkt in der »Moderne«. Diese wird in der Literatur als »radikalisiert« bezeich-net. Weg von uniformen Wertvorstellungen hin zu anderen Lebensformen, die Fragmentierung, Unterschied und Kombinationen verschiedener Werte in den Mittelpunkt des Alltags stellen – das Ende von althergebrachten Begründungen und Legitimationen von gesellschaftlichen Wer-ten, wissenschaftlicher Richtigkeit, altherge-brachter Politik und der Existenz jedes einzelnen Menschen verweist die Individuen mehr und mehr auf sich selbst. Als Postmodernisierung bezeichnet Inglehart den Prozess, der neue Weltanschauungen bringt und veränderte Er-wartungen, die Menschen an das Leben stellen. Diese Einstellungsänderungen verändern auch Normen in Politik, Religion, Arbeit oder Familie. Dieser Wandel ist von der Modernisierung ab-grenzbar. (vgl. Inglehart 1998, S. 18–19)

„Während Anthony Giddens und Ulrich Beck die Moderne in ihrer jetzigen Entwicklungsphase als eine reflexiv zu sich selbst verhaltende Moderne verstehen, erfasst Baumann den gleichen Gedanken mit dem Begriff der Postmoderne, die er auch als einen immanenten Bestandteil der Moderne, als eine Stellungnahme der Moderne in der Moderne zur Moderne versteht.“ (Junge, Kron 2007, S. 17)

Wesentlich sind in diesem Zusammenhang die radikale Individualisierung und die Emanzipation des Menschen von althergebrachten zentralgesellschaftlichen Ordnungsinstanzen.

Organisation, Macht

Ging Max Weber Anfang des 20. Jahrhunderts noch von ganz deutlichen Strukturen der Herrschaft aus, es war für alle Beteiligten immer ganz klar, wer Herrschender ist, und wer Beherrschter, so verändert sich diese Perspektive auf die Gesellschaft im Laufe des 20. Jahrhun-derts bis zur postmodernen Betrachtung Michel Foucaults für die Betrachtung der gesamten Gesellschaft, oder auch Niklas Luhmann, dessen Systemtheorie auch gesellschaftliche Subsysteme und Organisationen abdeckt, sehr deutlich.

Stellt Weber noch die Zweckrationalität in den Mittelpunkt seiner Betrachtungen, so sind der Zweck und die Ratio des Individuums keine Kategorie im Denken Foucaults. Luhmann geht sogar so weit, das Individuum nur mehr als Umwelt der Systeme zu definieren. Herrschaftsmechanismen verschwimmen, das „Oben“ und „Unten“, das bei Max Weber noch erkennbar war – jene klare und eindeutige Zu-ordnung der Aufgaben für jeden Akteur inner-halb der Gesellschaft – ist der postmodernen, multilateralen und dezentralen Machtstruktur nicht mehr erkennbar.

Mit dem Wandel der Strukturen, der einher geht mit einer Steigerung der Komplexität von Gesellschafts- und Organisationsimmanenten Beziehungsgeflechten, muss sich auch der Mensch selbst ändern. Waren zu Beginn der Moderne noch externe Disziplinierungsmechanismen ausreichend, die geringe Komplexität der Gesellschaft zu strukturieren, benötigt man nach Foucault im 21. Jahrhundert intrinsische Disziplinierungsstrukturen, getarnt als individuelle Befreiung, um der modernen hochkomplexen Gesellschaft Rechnung zu tragen.

Neue Formen der Nahezu-Realtime Kommunikation mittels digitaler Systeme verändern – 30 Jahre nach den ersten theoretischen Debatten zur Postmoderne – die alltägliche Kommunikationspraxis der Akteurinnen und individualisieren eben diese ebenfalls radikal. Social Media, so meine These ist daher die Kommunikations-Praxeologische Auswirkung der radikalisierten Moderne. Die Art der Kommunikation und die Refokussierung auf das (vermeintliche) Individuum beispielsweise auf Facebook führen zu einer Neuausrichtung der sozialen Schnittstellen der handelnden AkteurInnen und damit der Habitus-beeinflussenden Parameter. Diese veränderten Netzwerke verändern auch die Inkorporation externer sozialer Strukturen, sie sind daher Gesellschaftsgestaltend und koppeln über diesen Weg der Praxis auch zurück in die Alltagswahrnehmung des Sozialen aller andern.

Zusammenhänge?

Traditionelle wie moderne Organisationsstrukturen versuchen im Sinne einer Intermediärstruktur zwischen den Individuen auf der einen und der Gesellschaft auf der anderen Seite zu vermitteln. Sie greifen dabei in eben diesen Prozess der Gestaltung sozialer Praxis ein, um die AkteurInnen zur Zielerreichung der Organisation zu fokussieren. Die Organisationen nützen dabei die selben habituellen Mechanismen zur Einkoppelung des intermediären Organisationskontextes in die Mikroperspektive der Akteurinnen. Daher gestaltet sich die soziale Realitätswahrnehmung des Organisationsmitglieds analog zur gesamtgesellschaftlichen Wahrnehmung über habituelle Mechanismen. Man könnte daher auch einen „Organisationshabitus“ definieren, der im Sinne einer Metastruktur zwischen der Makroebene der Umwelt und der individuellen habituellen Mikroebenenschnittstelle liegt.

Je nach höherem Ziel der Organisation, dies kann beispielsweise bei NPOs im tatsächlichen operativen Bereich sein – beispielsweise bedürftige Menschen direkt oder indirekt zu u-terstützen– oder im ideellen – beispielsweise eine Idee zu verbreiten– sind die errichteten Organisationsstrukturen oftmals ganz unter-schiedlich.

„Geronnener Geist ist auch jene lebende Maschine, welche die bureaukratische Organisation mit ihrer Spezialisierung der geschulten Facharbeit, ihrer Abgrenzung der Kompetenzen, ihren Reglements und hierarchisch abgestuften Gehorsamkeitsverhältnissen darstellt.“  (Weber 2004 S.16)

Es gibt Organisationsformen, die mit radikaler Individualisierung der Mitglieder und den damit verbundenen individualisierten Kommunikationsnetzen leichter umgehen können, als andere. Gerade das Bürokratiemodell Max Webers, der einst das „stahlharte Gehäuse der Hörigkeit“ beschrieben hat, ist mit multidirektionalen netzwerkartigen Organisationsformen, wie sie in den Social Media abgebildet werden ohne Adaptierungen nicht kompatibel. Innerorganisatorische soziale Modelle, die Seniorität und Distinktion von Organisationsmitgliedern kennen, also nach dem bürokratischen Modell funktionieren brauchen mit Sicherheit ganz andere Methoden zur Implementation oben beschriebener Individuen, als dies kleinere Organisationen benötigen, oder solche mit generisch netzwerkartiger Struktur.

Grounded Theory?

Die aufgrund ihrer Offenheit und ihrer breiten Anwendbarkeit gewählte „Grounded Theory“ versteht man als eine systematische und gegenstandsverankerte Methode zur Theoriebildung aus vorwiegend qualitativem Datenmaterial, die von den US-amerikanischen Soziologen Anselm Strauss und Barney G. Glaser entwickelt wurde. Ausgehend von vom interessierenden Phänomen qualitativen Informationen werden in einem zyklischen Prozess aus Datenerhebung, Datengenerierung, Analyse und –auswertung Theoriebildung Theoriekategorien direkt aus den analysierten Daten Theorien abgeleitet aus denen wiederum, Theoien gebildet werden, die in weiteren Schritten – an weiteren Quellen –  verdichtet und verifiziert werden (vgl. Strauss, Hildenbrand 1994, S. 25–30).

Wesentliches Element dieser Methodik ist das „Theoretical Sampling“, also die theoretische-geleitete Auswahl von weiteren Datenquellen, die sich aus den bisherigen Daten und den da-rauf beruhenden Theorien ergibt (vgl. Strauss, Hildenbrand 1994, S. 30).

Bei der Anwendung der „Grounded Theory“ entsteht ein Theoriezusammenhang direkt aus den qualitativen Daten und daher hat sie einen engen Zusammenhang zur sozialen Realität. Die entstehenden theoretischen Konstrukte sind außerdem aufgrund ihrer Empirieverbundenheit auch für Praktiker verständlicher.

„Theoretisches Sampling meint den auf Gene-rierung von Theorie zielenden Prozess der Da-tenerhebung, währenddessen der Forscher seine Daten parallel erhebt, kodiert und analy-siert sowie darüber entscheidet, welche Daten als nächste erhoben werden sollen und wo sie zu finden sind.“ (Glaser, Strauss 2005, S. 53)

Basierend auf den gegenstandsbezogenen Theorien kann in einem weiteren Abstraktions-schritt formale Theorie entwickelt werden. Die Arbeitsschritte von Erheben, Codieren Kodieren und Analysieren von Daten werden immer wie-der hintereinander durchgeführt bis eine theoretische Sättigung erreicht ist (vgl. Hirzinger 1991, S. 59–67).

Ablauf der Studie

Interviews mit VertreterInnen aus den relevanten Stakeholdergruppen des aktuellen Flüchtlingseinsatzes sollen den initialen Input für das Grounded-Theory-basierte Vorgehen zur Organisationstypologie im Österreichischen Nonprofit-Sektor liefern.

Basierend auf den eigenen Daten der Studien innerhalb des Österreichischen Roten Kreuzes (Czech 2008, Czech 2010, Czech 2011, Czech 2014) und den Studien über die Freiwilligen in Österreich (Czech 2012) soll trianguliert mit den Daten aus Friesl, Polak, Hamachers-Zuba (2009) eine Fragenbatterie für die Differenzierung von MitarbeiterInnenmilieus in Österreichischen NPOs erstellt werden, die in weiterer Folge mit den unterschiedlichen Organisationstypen verglichen wird. Gegebenenfalls eignen sich auch andere Basisstudien und bewährte Skalen besser für diese Segmentierung.

Die Umfrage selbst kann im Rahmen einer Online-Erhebung im Studienzeitraum mehrfach durchgeführt werden, um gegebenenfalls Wandelprozesse auch analytisch zugänglich zu machen. Eine Vergleichbarkeit mit bestehenden und zugänglichen Studien erleichtert diese Analyse.

Diese qualitativen und quantitativen Daten sollen in weiterer Folge eine ganzheitliche Praxistheorie des Feldes liefern können, die sowohl die subjektiven Akteurinnenperspektiven beinhalten, wie die Strukturen des Feldes auf Organisationsperspektive.

„Diese völlig ungewöhnliche Form des Reflektierens führt zum Verzicht auf die absolutistischen Prätentionen der klassischen Objektivität, verurteilt deswegen nicht zu Relativismus: Die Bedingungen der Möglichkeit des wissenschaftlichen Subjekts und die seines Objekts sind nämlich identisch, und jedem Fortschritt in der Erkenntnis der gesellschaftlichen Bedingungen der Produktion wissenschaftlicher Subjekte entspricht ein Fortschritt in der Erkenntnis des wissenschaftlichen Objekts und umgekehrt. Das ist niemals so deutlich wie dann, wenn die Forschung das Feld der Wissenschaft selbst, das heißt das wahrhafte Subjekt wissenschaftlicher Erkenntnis, zu ihrem Objekt macht.“ (Bourdieu 1999, S. 332)

 

Literatur

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