Einem spontanen Einfall unseres 11-jährigen Sohnes Felix folgend haben wir uns gemeinsam als Familie zum Dienst im Henry-Laden eingeteilt. Im vorweihnachtlichen Weihnachtsfeiern- und Einkaufs-Stress eine Möglichkeit, freiwillige Arbeit zu leisten, Gutes zu tun und das im Kreis der Familie. Auch meine Schwester, ihre Tochter und meine Eltern (allesamt seit Jahrzehnten Rotkreuz-Freiwillige) helfen einen Vormittag mit, im Sinne von Henry Dunant, dem Namensgeber für den Henry-Laden.
Der Henry-Laden des Roten Kreuzes ist eine Second-Hand-Boutique, die gespendete Waren – hauptsächlich Bekleidung, Spiele und Kinderbücher – zu günstigen Preisen verkauft. Damit werden noch brauchbare Gegenstände vor der Entsorgung gerettet und bringen jemand anderen Nutzen und Freude. Die erwirtschafteten Erträge werden vom Roten Kreuz für soziale Zwecke verwendet. Insgesamt gibt es niederösterreichweit bereits 13 Läden.
Christkindls Assistenten?
Wir begannen um 8.00 Uhr in der Früh, meine Frau Hedwig, die als Teamleiterin des Brunner Henri-Laden-Teams auch für die anderen Freiwilligen verantwortlich zeichnet, schließt den Laden in der ehemaligen Post auf und startet die Kasse. Schon bald kommen die ersten Kunden und auch neue Freiwillige, die uns helfen wollen: Vanessa und ihre Mutter, eine Kindergärtnerin haben sich bereit erklärt, gespendete Spiele und Puzzles auf ihre Vollständigkeit zu kontrollieren. Auch Felix hilft mit. So können im Laufe des Vormittags mehrere Dutzend Spiele als „spielbar“ gekennzeichnet werden und können vielleicht unter dem Weihnachtsbaum eines Kindes Freude bereiten? Als Danke für die Unterstützung gibt es Schoko-Nikoläuse, die noch vor dem Mittagsläuten der nahen Kirchenglocken verspeist wurden.
Unsere Kundinnen und Kunden
Ein Kinderwagen für den erwarteten Nachwuchs, Weihnachtsschmuck und günstige Winterbekleidung – das konnte sich eine Jungfamilie kaufen, die das erste gemeinsame Weihnachten mit eigenem Christbaum feiern will. Igor, der junge Vater erzählt, dass er wenig Geld verdient, das meiste braucht er für die Miete. Er uns seine Frau sind erst fünf Jahre in Österreich und haben daher keine Familie, die sie unterstützen können. Daher sind er und seine Frau sehr glücklich, im Henry-Laden um wenig Geld wichtige Dinge kaufen zu können. Es bleibt daher ein bisschen Geld zum Sparen für das Baby.
Spenden trudeln ein
Dazwischen kommt ein älterer Herr zu uns – Karl war früher ebenfalls Rotkreuz-Freiwilliger – und fragt, ob wir auch Schi nehmen. Er und seine Frau haben sich vor zwei Saisons eine neue Ausrüstung gekauft, allerdings fahren sie nicht mehr. So spenden sie Schi und Schischuhe – ich bin mir sicher, mit der Ausrüstung hat jemand anderer noch Freude, vielen Dank!
Modebewusste Kunden
Seidentücher und Wollschals in ihren Lieblingsfarben: türkis und blau, das fand Rosemarie nach längerem Suchen bei den Accessoires. Sie stöbert gerne in Second-Hand-Läden, denn neu kriegt sie oft nicht genau das, was sie sich vorstellt. Individuell, so bezeichnet sie ihren Modegeschmack. Und, dass sie Geschmack hat, kann man bei der rund 30 jährigen Frau durchaus erkennen.
Gibt es ein Recht zum Spenden?
Eine Dame mittleren Alters bringt einen Sack mit Bekleidung. Ihre Mutter ist verstorben, nun braucht sie das alles nicht mehr. Unterwäsche, Socken, Hausschuhe – alles zusammen in einem Schwarzen Müllsack. Leider können wir diese Dinge hier nicht verkaufen, wird ihr freundlich erklärt. Niemand kauft gebrauchte Unterwäsche. Die Botschaft kommt zwar an, doch leider reagiert die Dame unfreundlich, wirft uns „Undankbarkeit“ vor. Jetzt müsse sie extra zum Entsorgen fahren, meinte sie. Und was für ihre Mutter gut genug war, müsse für andere auch reichen.
Für mich ein Impuls darüber nachzudenken, ob es ein Recht gibt, nur nach eigenem Wunsch helfen zu dürfen, eine Art angebotsgesteuerte Humanitärökonomie? Ich denke die Antwort ist klar: Nein. Der humanitäre Imperativ, betrifft immer die Bedürfnisse des Menschen in Not, das sozial Schwachen. Nicht das Angebot darf die Hilfe beeinflussen, sondern die Nachfrage, die Bedürfnisse jener, die unserer Hilfe bedürfen. Das wird bei aller Charity-Kommunikation oft vergessen.
Das Charity-Shop-Konzept ist in Österreich noch nicht etabliert
„Die Seniorin ist eigentlich schon Stammgast bei uns im Henryladen“, berichtet Hedwig, als eine ältere Frau unser Geschäft betritt. „Ich muss ihnen was erzählen“, begrüßt sie uns, „meine Freundinnen und Bekannten glauben mir nicht, dass hier jeder einkaufen kann. Sie meinen, es ist ein Sozialladen für Bedürftige.“ Hedwig, meine Frau und Teamleiterin erklärt ihr dann, dass dieses Missverständnis öfter passiert: „Ja, der Erlös kommt sozialen Zwecken zu Gute“, weiß sie – doch zum Einkaufen kann und soll jeder kommen. Selbstverständlich können Bedürftige auch kommen, das breite und einzigartige Angebot ist aber für alle Kunden geeignet. Und zudem fließt der Erlös ja dem guten Zweck zu, umso wichtiger ist es, dass möglichst viele Personen her finden. Darum nimmt sie sich beim gehen noch ein paar Visitkarten mit, um andere vom henry-Laden zu überzeugen.
Das Leben ist ein Geben und Nehmen …
Gegen elf Uhr kommt Ursula, eine Arbeitskollegin. Gemeinsam mit ihrem Mann und dem Sohn bringt sie Sachen, vorwiegend Spielzeug und Bekleidung. „Spiele, die nicht mehr gespielt werden, sind nutzlos, die sollten neue Spieler finden“, meint ihr Sohn. Zum Glück findet er bei den Spielen im Henry-Laden auch etwas, das er in Zukunft spielen wird: Ein cooles Lego Ninjago-Set. Doch auch Weihnachts-Kerzen im Stil von Tannenbäumen gefallen ihm. Rasch ist das Taschengeld investiert und er geht nicht mit leeren Händen heim.
Mittags ist der Samstags-Dienst vorbei, wir haben den Henry-Laden auf „weihnachtlich“ umdekoriert, Weihnachtskugeln aussortiert, Spiele geschlichtet und viele Artikel angenommen oder verkauft. Vielleicht haben nicht alle Begegnungen genau so und genau heute stattgefunden, vielleicht stimmen die Namen auch nicht, denn schließlich kennt in Brunn ja jeder jeden – aber was stimmt: Weihnachten kommt und vielleicht findest Du im Henry-Laden noch das eine oder andere Geschenk.