Von Gudrun Weidhofer.
Das Österreichische Rote Kreuz ist seit Mitte September mit einer Einheit von Spezialisten in Bangladesch im Einsatz um Menschen sauberes Wasser zur Verfügung zu stellen. Mittlerweile sind mehr als 600.000 Menschen vor der Gewalt in Myanmar nach Bangladesch geflohen und leben derzeit in Camps in der Nähe von Cox Bazar, im Süden von Bangladesch. Ein großes Problem für die geflohenen Personen stellt der unzureichende Zugang zu sicherem Wasser dar. Hier kommt unsere Einheit, eine so genannte ERU M40 (emergency response unit) ins Spiel.
Jeweils zwei Mitarbeiter aus Österreich arbeiten für ein Monat lang, dann werden sie in einer „Rotation“ durch zwei neue ersetzt. Mittlerweile befindet sich die dritte Rotation vor Ort und ist damit beschäftigt die Pläne, welche die erste Rotation erstellt und wir, also die zweite Rotation, umgesetzt haben, zu finalisieren. Einer diese Pläne beinhaltet den Aufbau einer Wasseraufbereitungsanlage in einem der „neueren“ Camp-Bereiche.
Neue Bereiche erkennt man daran, dass die dort gebauten Hütten aus Bambus und Planen erst einige Tage lang stehen und „Infrastruktur“, sofern man davon reden kann, in einem noch geringerem Umfang vorhanden ist als in den Camp-Bereichen, die schon seit zwei Monaten existieren. In diesen Camps bedeutet Infrastruktur etwas anderes als bei uns. In diesem Fall bedeutet es, dass nicht einmal Latrinen oder Brunnen vorhanden sind, dass es keine Straßen sondern nur Trampelpfade gibt. Das Fehlen von Sanitärinfrastruktur erhöht die Gefahr von Krankheitsausbrüchen.
Im Zuge von Erkundungswanderungen am Anfang unserer Rotation haben wir erkannt, dass das Camp inzwischen bis zu einer Rohwasserquelle gewachsen war, die wir verwenden konnten um Wasser daraus aufzubereiten. Jetzt, wo die drei Tanks hoch am Hügel stehen, von weitem zu sehen, ist eine der ersten Fragen, die wir von vorbeigehenden Personen verschiedener Organisationen hören: Wie habt ihr denn diese riesigen Tanks dahin gebracht? Der erste Teil des Weges konnte mit einem Truck mit Allradantrieb befahren werden, welcher die Tanks geladen hat. Die „Straßen“ sind natürlich Schlammpisten:
Zur Erklärung, wie der Rest des Weges zurückgelegt wurde, holen wir unser Handy raus und zeigen ein Video: Hier klicken Nicht schlecht, oder? Beeindruckende Leistungen, die hier von Camp-Bewohnern erbracht wurden, die unter widrigsten Bedingungen leben und oft erst vor Wochen aus ihrer Heimat geflohen sind. Wir sind froh, dass wir ihnen bezahlte Arbeit anbieten können, ihnen so ein selbstbestimmteres Leben ermöglichen und die großen Leistungen, die sie für „ihre“ Anlage erbringen, würdigen können.
Üblicherweise reist eine Einheit wie unsere mit vielen Tonnen Equipment an. Aufgrund der Gegebenheiten vor Ort wurden wir aber als reine Personaleinheit entsandt. Dies macht uns flexibler beim Aufbau von Anlagen, wir können lokale Materialien verwenden und fördern die Wirtschaft der Region. Zudem sparen wir Transportkosten. Es heißt allerdings auch, dass ein Teammitglied als Logistiker tätig werden muss und viel Zeit damit verbringt in verschiedenen Läden mithilfe von Google Bilder herzuzeigen, und so Werkzeug und Materialien einkauft. Einige Impressionen vom Aufbau der Anlage:
Wenn es darum geht für die Pumpe ein Pumpenhaus zu bauen, sind wieder mal die handwerklichen Qualitäten unserer Mitarbeiter gefragt. Es wird kurz abgeklärt was das Ziel ist – die Pumpe vor Regen und Kinderhänden zu schützen –, und schon geht einer unserer Männer das Baumaterial kaufen. Alles Weitere überlassen wir den Locals. Wir wissen, wenn wir am nächsten Tag wieder ins Camp kommen werden, wird ein perfektes Pumpenhaus fertig sein. Mit Bambus, Machete und Schnur kann beinahe alles gebaut werden.
Schon bevor wir begonnen haben die Anlage aufzubauen haben wir erste chemische Tests im Labor durchgeführt um festzustellen, ob die Rohwasserquelle geeignet ist um aufbereitet zu werden. Ich habe voller Stolz einer Kollegin, mit der ich schon in Uganda zusammengearbeitet habe, folgendes Foto geschickt: img 1062. Ihre Antwort: „Die WASH-people sind crazy. Freuen sich an Dreckflocken in gelbem Wasser 😀 „. Und sie hatte Recht – ich habe mich sehr gefreut, dass die Flockung mit Chemikalien (Schmutz im Wasser bildet Flocken, die durch ihr höheres Gewicht zu Boden sinken) funktioniert hat. Danach wird noch mit Hilfe von Chlor desinfiziert und fertig ist das Wasser mit Trinkwasserqualität! Natürlich müssen auch weitere chemische Überprüfungen direkt an der Anlage durchgeführt werden, immer unter genauer Beobachtung von sehr vielen neugierigen Nachbarn.
Die Wasseraufbereitung läuft gerade an, zwei Camp-Bewohner vor Ort werden laufend von uns ausgebildet, um die Anlage selbstständig betreiben zu können. Bis dahin werden unsere Nachfolgerotationen gemeinsam mit diesen „Locals“ die Anlage betreiben und den Menschen im Block M1 jeden Tag bis zu 16 000 Liter sicheres Wasser zur Verfügung stellen können.