Ehrenamt2.0 – Neue Organisationsstrukturen für neue Aufgaben?

Das Führen und Entwickeln von Nonprofit-Organisationen im Umfeld des Katastrophenschutzes war das Thema der Konferenz Ehrenamt2.0 die Freitag den 22. und Samstag, den 23. Oktober in der Landesfeuerwehrschule in Tulln stattfand. Die Konferenz wurde von der NÖ Landesregierung gemeinsam mit der Region Südmären in Tschechien als Teil eines transregionalen Europäischen Projekts (save.regions) realisiert und von zahlreichen Organisationen aus dem Katastrophenschutz in Österreich und Tschechien unterstützt. Daher waren auch die Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus beiden Ländern, wobei die ÖsterreicherInnen die Mehrheit hatten. (Innerhalb dieser Fraktion mit den -Innen in der klaren Minderheit)

Die Location selbst, der Gebäudekomplex der Feuerwehrschule am Ortsrand der (nicht nur geruchsmässig) von der Zuckerindustrie geprägten Bezirkshauptstadt Tulln, 30 Kilometer westlich von Wien, war perfekt für die Veranstaltung geeignet: ein postmoderner Verwaltungs- und Schulungsbau eindeutig Niederösterreichischer Prägung mit allen notwendigen elektronischen Unterstützungen, eigenen Technik- und Dolmetsch-Kabinen und dreifach-Videoprojektion.

Der Eröffnungstag war ganz als Konferenz durch einstündige Vorträge charakterisiert, die in deutscher und tschechischer Sprache gehalten wurden und in die jeweils andere Sprache synchron übersetzt wurden. Der zweite Tag wurde zum Workshop-Tag, an dem die Themenkomplexe in verschiedenen zweieinhalbstündigen Workshops in Kleingruppen intensiv aufbereitet werden konnten.

Da ich selbst als Workshopleiter einen Workshop zum Thema „Social Media: Fluch oder Segen?“ moderieren durfte, kann ich aus den anderen Themenbereichen leider keine Erkenntnisse vom zweiten Tag berichten.

Die Konferenz begann mit offiziellen Eröffnungsstatements der politischen Seite, die – egal ob nun der tschechische Landeshauptmann-Stellvertreter, oder der zuständige NÖ Landesrat – die Wichtigkeit der Freiwilligenorganisationen für die Gesellschaft betonten, ihre besonderen Aufgaben im Bereich des Katastrophenschutzes herausstrichen und natürlich auch die verbesserte Zusammenarbeit der beiden Regionen erfreut bestätigten. (Details im ORF-NÖ-Bericht dazu). Im Anschluss wurden die PräsidentInnen/KommandantInnen/EinsatzleiterInnen der teilnehmenden Organisationen auf die Bühne gebeten, mehr als 15 an der Zahl, um jeweils individuell Botschaften zur Bedeutung der jeweils eigenen Organisation von sich zu geben. Warum mir bei dieser Gelegenheit das Karl Valentin Zitat („Es ist schon alles gesagt, nur noch nicht von allen“) brauche ich hier nicht zu kommentieren?

Danach ging es aber mit den Keynotes los. Gleich zu Beginn präsentierte Eva More-Hollerweger vom NPO-Institut Auszüge aus dem Österreichische Freiwilligenbericht, einer Publikation die offenbar doch nicht so bekannt ist, wie ich es mir eigentlich für dieses Zielpublikum – Entscheider auf der taktisch-operativen Ebene von Einsatzorganisationen – gedacht hätte. Wesentliche Erkenntnisse waren für viele, dass viele Menschen nur deswegen nicht ehrenamtlich engagiert sind, weil sie nie gefragt wurden. Mit Sicherheit ernüchternd, wenn man Jahr um Jahr versucht, neue Mitglieder zu finden und erst nach langer Reflexion findet, dass man immer nur im selben Teich gefischt hat, und grosse andere Zielgruppenpotentiale schlichtweg nicht nützt. Auch neue Angebote, durchaus im Bereich des informalen Engagements – zumindest aber weg vom „lebenslangen Binden an eine Organisation“ sollten angestrebt werden, um die durchaus hohen Barrieren des Eintritts zu reduzieren. Insgesamt oft Strategien, die zumindest eine Adaption der eigenen Organisationskultur und -Struktur erfordern, wie sich in vielen Diskussionen, die ich im Laufe der zwei Tage führte herausstellen sollte.

Gefolgt wurde die Präsentation von einer Runde an Organisationsvertretern, (Feuerwehr, Arbeiter-Samariterbund, Rotes Kreuz, Team Österreich, Team Morava, Wasser-Rettung, Bergrettung, Höhlenrettung) die die Freiwilligenwerbestrategien ihrer Organisationen präsentierten. Aufgrund der ganz verschiedenen Statements ist von dieser Stunde bei mir leider nicht viel hängen geblieben, ausser der Tatsache, dass jede Organisation irgend welche Strategien an den Tag legt, die mehr oder auch weniger theoretisch fundiert bzw. strategisch und taktisch geplant werden. (Karl Valentin hatte ich schon erwähnt?)

Nach dem Mittagessen war der Themenbereich „Durch Ehrenamt fitter im Job – Hat die Wirtschaft einen Nutzen vom Können der Freiwilligen?“ am Plan. Zunächst der Personalberater Othmar Hill und danach Christian Koller, ein Feuerwehmann, der seine Masterthesis „Führungskompetenz durch Ehrenamt“ präsentierte. Diesen musste ich aus technischen Gründen (unser Webserver hatte sich aus technischen Gründen verabschiedet) auslassen und kann darüber leider nicht berichten.

Der dritte Programmteil dieses Tages widmete sich dem Themenkomplex „Social Media: Fluch oder Segen?“ (meinem Lebensabschnittsthema?) und begann mit einer engagierten Präsentation von Alexandra Wögerbauer-Flicker, die als Expertin zum Thema unter anderem an der Donau-Uni tätig ist. Ihre Präsentation wurde von jungen Mitgliedern der Einsatzorganisationen unterstützt, die potentielle Fallen von Facebook&Co für Organisationen und Personen anschaulich darstellten (Datenschutz, Geolocation-Services, Urheberrechte). Insgesamt – danke an dieser Stelle an Alexandra – wurden die Social-Media-Aktivitäten des Österreichischen Roten Kreuzes als best practices mehrfach gelobt und als „Kür“ bezeichnet, was mich persönlich natürlich sehr freut. Grundaussage dieser Stunde war wohl, dass die Sozialen Medien des „Web2.0“ ein adäquates Mittel sind, um vor allem junge Menschen zu erreichen, die ja mit alten Medien kaum mehr zu erwischen sind (Armin Wolf hat dazu beispielsweise seine Master-Thesis gemacht). Allerdings braucht es dazu, wie für andere operative Tätigkeiten zuvor gründlicher strategischer und auch taktischer Planung. Warum soll auch das Führungsverfahren mit Beurteilung der Lage, Plan der Durchführung, Auftragserteilung und Überprüfung auch auf einmal nicht mehr gelten, wenn es um Kommunikation oder Mitarbeiterrekrutierung geht?

Eine wesentliche Erkenntnis dieses Themenbereichs, die auch am zweiten Tag in unserer Gruppe diskutiert wurde, war die Adaption von Organisationskultur und -Struktur auf die Herausforderungen einer Gesellschaft mit Wertepluralismus (manche nennen die Gesellschaft auch postmodern). Gerade der breite Einsatz von Social Media als „postmoderne Kommunikationskanäle“ stehen oftmals in Konflikt mit dem Selbstverständnis der klassischen Stabs-Linienstruktur im Weberschen Bürokratiemodell aller Organisationen im Katastrophenschutz – einem Modell, das sich allerdings im akuten und operativen Einsatz mehr als bewährt hat und dort auch nicht in Frage gestellt werden soll. Ein älterer Blogbeitrag von mir (interne Herausforderungen für Web2.0 in NPOs) hat sich mir diesem Thema bereits konkreter beschäftigt, speziell mit dem „digital divide“ als Segregationsfaktor innerhalb klassischer (Nonprofit-)Organisationen.

Allen an dieser Thematik Interessierten (wahrscheinlich gehörst Du zu der Zielgruppe, wenn Du bis hiereher gelesen und noch nicht aufgegeben hast) lege ich die NPO-Blogparade ans Herz – ein deutschsprachiger online-Diskurs zum Thema Social Media und NPOs aus interdisziplinärer Sicht. Das letzte Thema dort, zu dem ich aus Zeitgründen keinen Beitrag liefern konnte beschäftigte sich mit einem der Themen unseres Workshops: Social Media: How to educate your boss?

Weitere Blogbeiträge als Ergänzung des Textes:

Gerne ersuche ich alle Leserinnen und Leser, meinen Blogbeitrag in den Kommentaren zu ergänzen, sowohl was die Konferenz Ehrenamt 2.0 betrifft, als auch was die Inhalte generell betrifft. Natürlich stehe ich auch auf allen Kommunikationskanälen zu kontroversiellen Diskussionen zum Thema zur Verfügung: Kontakt

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