von Andreas Gradischar
Ein Wahnsinn, wie schnell die Zeit vergeht! Jetzt sind es nur noch drei Tage bis zu unserer Rückkehr nach Österreich. Dabei hätten wir uns jetzt gerade ein wenig eingelebt in Nawabshah im Gymkhana Guest House mit seinem teils sehr schrulligen Personal, dem wir auch ein wenig „Österreichisch“ (Mannerschnitten, Servus, Pfiat di,…) und Schwedisch (Flaska, Puku,…) beigebracht haben. Die Arbeit läuft nach wie vor gut, wir liegen genau im Zeitplan und auch die Volunteers sind fleißig und motiviert, weil endlich ein Ende ihres seit 24. September 2011 dauernden Einsatzes in Sicht ist. Sie haben – bis auf wenige Ausnahmen an den Feiertagen – jeden Tag, 7 Tage die Woche gearbeitet!
Heute ist hier in Nawabshah ein pakistanisches Wunder passiert: Wir haben für 9:00 einen Truck aus Karachi und für 9:30 einen lokalen Bagger zum Beladen bestellt, und beide waren pünktlich vor Ort! Wenn das so weitergeht können wir sogar alle wie geplant am 16. zurückfliegen. Jetzt müssen nur noch die beiden Trucks am 13. und ein kleiner LKW am 15. wie geplant kommen, dann ist alles in Butter.
In den letzten Tagen hatte ich einige Male die Gelegenheit, den Markt zu besuchen, weil wir diverse Ersatzteile und Verbrauchsmaterial einkaufen mußten. Und das ist jedesmal wieder ein absolut faszinierendes Erlebnis. Der „Markt“, das ist das gesamte Stadtzentrum von Nawabshah. In jedem Haus sind im Erdgeschoß Läden und Werkstätten, verkauft und gewerkt wird aber hauptsächlich auf der Straße. Da steht der Copy-Shop mit uralten Kopierern direkt neben einer „Küche“, danach ein Schlosser und ein Metzger, der auf einem Tisch sitzt, seine Hühner mitten auf der Straße schlachtet, rupft, ausnimmt, zerteilt und dann das Fleisch an Haken einfach aufhängt und feilbietet. Einmal konnte ich im Vorbeifahren beobachten, wie 3 Männer vor ihrem Geschäft eine Kuh ausgenommen haben! Das Fleisch ist natürlich nach kurzer Zeit mit Fliegen übersäht, das Blut rinnt auf die Straße und man will sich gar nicht vorstellen, wie es hier im Sommer bei über 40°C wohl riechen mag. Ich fühle mich ins Mittelalter zurückversetzt, so muß es bei uns vor 500 bis 600 Jahren ausgesehen haben. Nur daß damals die Straßen natürlich nicht mit Autos, Mopeds, Tuk-Tuks und Fahrrädern komplett verstopft waren. Manchmal stehen wir Stoßstange an Stoßstange eingeklemmt, links und rechts versuchen die Einspurigen irgendwie vorbeizukommen, und ich habe das Gefühl, wir müssen die nächsten Stunden hier verbringen. Aber irgendwie geht es dann doch immer wieder weiter und der größte Stau löst sich in wenigen Minuten wieder auf.
Der gesamte Verkehr funktioniert hier „irgendwie“, aber keiner weiß warum. Auf den Straßen scheint Anarchie zu herrschen, wir haben in ganz Nawabshah bisher 2 Verkehrszeichen gesehen. Jeder fährt kreuz und quer, es herrscht das Recht des Stärkeren oder des Schnelleren, mit unseren Land Cruisern sind wir zum Glück ganz oben in der Hierarchie. Die wichtigsten Bestandteile eines jeden Fahrzeugs sind Gaspedal und Hupe.
Ähnlich mutig ist die Elektrifizierung der gesamten Region. Die hiesigen Elektriker verdienen allesamt den „Sergej Mechansky Orden für mutige Installationen“ (Copyright Gunkl). Da ist es kein Wunder, daß der Strom mehrmals am Tag für Minuten oder Stunden ausfällt. Vorgestern wollte ich in einer Werkstatt zwei Motorenteile reparieren lassen. Nach ca. einer halben Stunde hatten wir geklärt, wo die Bohrungen hin sollten, und als der Handwerker anfangen wollte, war der Strom weg. Dann haben wir halt doch auf der Water-Plant die Akku-Bohrmaschine rausgeholt und es selbst gemacht. Funktioniert haben die Teile nachher auch.
Nachdem ich morgen auch wieder „funktionieren“ muß, um den Einsatz sauber abzuschließen, und es schon wieder kurz vor 23:00 ist, melde ich mich nun ab aus Pakistan. Ich hoffe, die letzten 3 Tage gehen noch glatt über die Bühne und ich konnte euch mit meinen Zeilen und Werner’s Fotos einen Eindruck darüber vermitteln, was wir hier so getrieben haben die letzten 4 Wochen.