Banda Aceh und retour: Donnerstag

Dieser mehrteilige Reisebericht des stv. Generalsekretärs Dr. Werner Kerschbaum erschien auf der Homepage des Österreichischen Roten Kreuzes im März 2005. Anlässlich des fünften Jahrestags der Tsunamikatastrophe möchten wir diese Beiträge erneut veröffentlichen.

Um 7.30 starten wir den 2. Tag der Übergabe. Nach dem täglichen Routinebesuch im „Hauptquartier“ der Föderation – kurze Lagebesprechung mit dem Delegationsleiter und einigen Spezialisten – holen wir unsere indonesische Kollegin ab und fahren in Richtung Westküste. Der Verkehr ist schon entsprechend rege. Auffallend sind die vielen Mopeds und Roller. Wir machen eine kurze Verkehrszählung und stellen fest: 60 % aller Fahrzeuge sind einspurig, und von den mehrspurigen sind 80-90% Mini-Vans, und nur der verschwindende Rest PKW-Limousinen. Auf den Mopeds und Motorrollern fahren im Durchschnitt 2,5 Personen. Eine fünfköpfige Familie mit Kleinkindern auf einem Moped ist wirklich keine Seltenheit. Vorrang im Kreisverkehr haben diejenigen, die sich ihn nehmen, und das funktioniert alles ohne Fluchen und Drohgebärden … Benzin kostet übrigens 0,2 Euro pro Liter.
In Richtung Westen wird der Verkehr etwas dünner. In Küstennähe bietet sich das gleiche Bild wie am ersten Tag: Viele kleine Dörfer und Siedlungen am Rande von Banda Aceh existieren einfach nicht mehr. Die immer wieder notdürftig reparierte Asphaltstraße führt durch die schon einmal beschriebene „Müllhalde“.

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Dort, wo hinter der Küste aufsteigende bewaldete Hügel Schutz geboten haben, sind die Siedlungen noch intakt. Man kann übrigens das „Einzugsgebiet“ des Tsunami genau verfolgen, weil die geknickten Bäume entlang der Hügelketten eine für das Auge deutlich wahrnehmbare Trennlinie markieren. Dort, wo die Topographie keinen natürlichen Schutz bot, haben die Flutwellen bis zu 10 km ins Landesinnere alles verwüstet. Beim Aufsuchen der zahlreichen Wassertanks in den verstreuten Siedlungen beweist Teamleiter Werner Meisinger großartige Ortskenntnis.

Alle Tanks sind übrigens ausreichend befüllt und die Entnahmestellen (Taps genannt) funktionieren ebenfalls. Vereinzelt begrüßen uns erwachsene Dorfbewohner; auffallend wie immer das Winken und strahlende Lachen der vielen Kinder. Apropos Kinder: Die Geburtenrate pro Frau ist mit 2,4 um 70% höher als in Österreich und nur 5% der Bevölkerung ist älter als 65 Jahre.
Am frühen Nachmittag machen wir kurz Pause direkt am Meer. Das klare Wasser und der schöne Sandstrand beeindrucken uns. Die gesamte Küste ist menschenleer, die einheimische Bevölkerung hat schon vor der Flutkatastrophe dem Baden im und Sonnen am Meer nicht viel abgewinnen können, erklärt uns unsere indonesische Begleiterin. Aus dem Meer ragen deutlich sichtbar die Stümpfe von Palmen und machen deutlich, wo die Strandlinie vor dem Tsunami verlaufen ist. An einzelnen Stellen wurde der Strand bis zu 1km ins Landesinnere „verlegt“.

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Zurück in der Stadt besuchen wir das Feldspital des IKRK. Anschließend fahren wir zu den 2 Wasserstationen unseres „ERU Water“ Teams. Dort treffen wir den Generalsekretär des Norwegischen Roten Kreuzes, der sich von der Arbeit des Teams beeindruckt zeigt.
Norwegen betreibt für das IKRK das erwähnte Feldspital direkt neben dem Fußballstadion von Banda Aceh.
Nach der Ankunft im ÖRK-Quartier bleibt nur mehr kurz Zeit, um sich frisch zu machen für das Abschiedsessen beim „Brückenwirt“; so nennen die Teammitglieder das indonesische Lokal, welches direkt an der Brücke über den großen Kanal liegt.
Das alte und das neue Team lassen den Abend fröhlich ausklingen bei indonesischen Spezialitäten. Das gibt mir die Gelegenheit, mich bei den beiden Teamleadern und der gesamten Mannschaft für den professionellen Einsatz und das großartige Teamwork zu bedanken. Als besondere Zugabe gibt es nach der Rückkehr ins Quartier noch ein paar Dosen Bier und lange, einerseits von herzlichem Lachen, andererseits von etwas Wehmut begleitete Erzählungen über die vergangenen 5 Einsatzwochen.

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