Ende September trafen sich rund 30 Trinkwasser-expertinnen und -Experten aus Österreich, Kroatien und Slowenien im Kroatischen Buzet zu einer Trainingswoche. Die Kärntner Rotkreuz-Mitarbeiterin Katrin Melischnig berichtet über ihre Eindrücke dieser Veranstaltung.
Der Sinn des Trainings war es, ein möglichst realistisches Szenario eines Notfall-Einsatzes für die Teilnehmerinnen der verschiedenen Rotkreuz-Gesellschaften nachzustellen. Anhand dieser Übung sollten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer lernen können, was die Aufgaben und Tätigkeiten eines Rotkreuz-Einsatzteams (ERU, Emergency Response Unit) im Rahmen einer Katastrophe sind und welche organisatorischen Maßnahmen von den Teams zu ergreifen sind.
Vom ersten „rapid assessment“ – dem schnellen Einschätzen der Lage vor Ort – und dem Treffen mit den Katastrophenhelfern des nationalen Roten Kreuz im Einsatzgebiet, über das Errichten des Camps und dem Aufbauen der Anlage gemeinsam mit dem ERU-Team, dem Produzieren von reinem Trinkwasser, den regelmäßigen Laborkontrollen des Wassers, bis hin zum Transport und der Ausgabe des „Notfallmedikaments Nummer 1“ an die Bevölkerung, wurde alles durchgespielt und kritisch überprüft.
Das Training selbst war geeignet, ein Team von Rotkreuz-Katastrophenhelfern auf Realeinsätze vorzubereiten und sollte daher möglichst realistisch sein. Vergleichbar zum Beispiel mit einer Situation wie in Pakistan: Überflutungen, Erdbeben, eine Katastrophe wo die betroffenen Familien dringend (Trink-)Wasser brauchen.
Die ersten Tage konzentrierten wir uns darauf, unseren Wissenstand über die verschiedenen Wasseraufbereitungs-Anlagen aufzufrischen, die im internationalen Rotkreuz-Einsatz in Verwendung sind. Wir arbeiteten mit der alten Berkefeld-Anlage, der LMS, der Scanwater und der neuen Berkefeld-Anlage. Die chemischen Grundlagen der Trinkwasseraufbereitung sind bei allen Anlagen relativ ähnlich, auch die eingesetzten Substanzen unterscheiden sich, nur die Art der Anwendung dieser Chemikalien ändert sich.
Die Gruppe von ca. 30 Teilnehmern (Ausbildner inklusive) wurde in vier Teams aufgeteilt, die jeweils eigene Missionen lösen mussten. Zu jedem Team wurden ein Ausbildner und ein Fahrer eingeteilt. Wir wurden mit einem LKW, der das gesamte Equipment (Wasseraufbereitungs-Anlage, Zelte, Feldbetten, Tanks, Chemie,…) geladen hatte, einem Laptop, Funkgeräten, einem Geländewagen, usw. versorgt und zu unserem „Einsatzort“ geschickt. Das ganze war natürlich nicht komplikationslos: wir hatten auch mit den Problemen die man in einem echten Einsatz erwarten kann, zu kämpfen (Equipment nicht komplett, beschränkter Platz zum Aufbauen des Camps, Funksignalstörungen, … ).
Ich persönlich hatte bei diesem Training erstmals die Möglichkeit, als Teamleaderin eingesetzt zu werden. Die Teamleaderin muss den Überblick über das Geschehen behalten, koordiniert, motiviert und führt die anderen Teammitglieder, hält Kontakt zum Basecamp, dem nationalen Roten Kreuz und anderen Organisationen. Zusätzliche Aufgaben des Teamleaders sind es, regelmäßigen Besprechungen beizuwohnen, Berichte zu schreiben, Entscheidungen betreffend der Wasserproduktion und dem Lebensstandard im Camp zu treffen und das Team zusammenzuhalten.
Ein wichtiger Punkt dieses Trainings war es, so nah wie möglich an reale Einsatzbedingungen heranzukommen. Die Teams sollten bestmöglich darauf vorbereitet werden, was sie erwarten kann, wenn sie in einen realen Einsatz in ein Katastrophengebiet entsendet werden.
Jedes der vier Teams wurde unterschiedlichen Einsatzorten mit unterschiedlichen Besonderheiten zugeteilt. Nach unserem Eintreffen am „Einsatzort“, lernten wir, wie wichtig es ist, einen gut zugänglichen Ort als Camp zu wählen. Bäume und Sträucher versperrten teilweise den Weg zum Camp und es war nur mit Teamarbeit möglich, den Weg für den LKW freizumachen. Der Platz für die Zelte und die Wasseraufbereitungs-Anlage mit den Tanks war knapp bemessen – gute Planung war daher die erste Priorität, um später ein effektives Arbeiten zu ermöglichen. Obwohl es unter Tage sehr warm war, war es in den Nächten teilweise empfindlich kalt, was gute Vorbereitung auf die Nacht erforderlich machte.
Als wir den Lastwagen entladen hatten bemerkten wir, dass einige für den Aufbau der Trinkwasseranlage benötigte Dinge fehlten. Das kann trotz aller guter Vorbereitung natürlich auch im echten Einsatz vorkommen und erfordert dann schnelle Lösungsvorschläge und Einfallsreichtum. In unserem Fall machte ich eine schnelle Bestandsaufnahme der vorhandenen Teile und eruierte, was fehlt, um es dann bei den benachbarten Teams auszuleihen. Trotz einiger fehlender Teile an der Anlage war es uns möglich am Ende des ersten Tages 6.000 bis 7.000 Liter gutes Trinkwasser zu produzieren.
Am nächsten Tag fuhren wir mit der Produktion fort. Bald konnten die Pumpen – alle fehlenden Teile waren nun schon beschafft – mit voller Kapazität arbeiten: 2.000 l Trinkwasser pro Stunde. Von 9 Uhr bis 15 Uhr machte das dann insgesamt 12.000 Liter aus. Im Vergleich bewiesen die Labortests, dass wir das reinste Wasser aller vier Teams produzieren konnten.
Die nächste Herausforderung war eine Nachricht aus dem Basecamp: schlechtes Wetter verbunden mit Regen und Überflutungen war angesagt. In Anbetracht der Lage der Team-Camps war es sehr wahrscheinlich dass sie überflutet werden würden, oder dass es uns nach Regenfällen nicht mehr möglich sein würde, mit dem LKW unser Material abzutransportieren. Daher wurde schnell die Entscheidung getroffen das Camp abzubauen um der Überflutung zu entgehen. Nach dem Abbauen brachen wir in Richtung Basecamp auf. Dort jedoch stellte sich in der Nacht heraus, dass auch das Basecamp überflutet werden würde. Daher übersiedelten wir für die letzte Nacht und den letzten Abend in eine kleine Halle in Buzet.
Während des gesamten Trainings erlebten wir die sehr gute Kooperation, das team-work und die gute Stimmung zwischen den Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus Österreicher, Kroatien und Slowenien. Das ist typisch für die Art, wie Rotkreuz-Mitarbeiterinnen und –Mitarbeiter weltweit arbeiten, um die Betroffenen nach Katastrophen zu versorgen. „Tutti fratelli“ – italienisch für „Alles Brüder“ ist daher der Wahlspruch für die unterschiedslose Kooperation zur Hilfe.
Die Ausbildner und Organisatoren des Trainings versuchten, realistische Gegebenheiten nachzustellen und hatten damit auch Erfolg: bis hin zur letzten Aufgabe, das Basecamp im Schlamm abzubauen und die Zelte zu reinigen. Das Training begann und endete damit wie ein echter Einsatz.
Die Übung wurde von vielen Besuchern beobachtet, unter anderem von Kinder aus Schulen und Kindergärten, Medien, dem örtlichen Bürgermeister und natürlich von hochrangigen Mitgliedern des Kroatischen und des Österreichischen Roten Kreuzes.
Das Trinkwassertraining fand im Rahmen des EU-finanzierten Projekts XH2O statt. Das Hauptziel von XH2O ist es, ein grenzübergreifendes und multinationales Wasser-Aufbereitungs-Modul nach den Standards des europäischen Zivilschutzmechanismus zu schaffen. XH2O wird organisiert vom Österreichischen Roten Kreuz und unterstützt von den Projektpartnern: dem Kroatischen Roten Kreuz und dem Slowenischen Roten Kreuz.