Dead Body Management

Was wie eine wissenschaftliche Definition klingt ist in Wirklichkeit eine sehr sensible, wichtige und nicht ungefährliche Aufgabe, die wir Ende kommender Woche angehen werden.

Alles in allem verstehen wir darunter Tätigkeiten, die neben dem Abtransport verstorbener Menschen, die Desinfektion des Leichnams und die Überwachung des Begräbnisses auf der einen Seite die Desinfektion des Hauses des Verstorbenen, aller Gegenstände und gegebenenfalls das Verbrennen einiger persönlicher Dinge auf der anderen Seite umfassen.

Die Mitarbeiter sind sehr gut ausgerüstet, muessen aber tgl. aufpassen, nicht selbst zu erkranken – eine kleine Unachtsamkeit kann genügen. An ihnen haftet das Stigma des Todes, selbst wenn sie selbst nicht krank bzw. ansteckend sind.

Wir muessen die Gefühle der Angehörigen respektieren und trotzdem auf die Sicherheit der Leute beim Begräbnis Acht geben.

Klingt jetzt kompliziert…ist es auch…

Dazu eine Geschichte, wie sie sich hier täglich zutragen kann…

Nun ein Vater/ Sohn/ Mutter/ Tochter,.. ist verstorben. Dies ist schlimm genug. Jeder sagt, dass es Ebola war. Jeder sagt, dass ich mit diesem Menschen im Haus gelebt habe. Bin ich auch krank? Hab ich es? Ich habe Angst. Menschen kommen. Die „Ambulanz“ kommt, um den Leichnam abzuholen. Sie tragen Ganzkörperanzüge, haben Masken und Brillen auf. Ich darf den Leichnam nicht berühren, mich verabschieden. Sie besprühen ihn mit Chlor, packen ihn in einen Sack und nehmen ihn mit. Wieder andere besprühen mein ganzes Haus, sagen mir, dass ich evt. auch krank sein könnte. Ich soll Menschenkontakt meiden. Alle Nachbarn, das Dorf wissen es. Sie meiden mich… es gibt also ohnehin keinen Kontakt.

Mein Geld wird nicht angenommen, ich bin ausgegrenzt. Irgendwer von den Nachbarn erbarmt sich, bringt mir Essen.

Die Leute, die den Verstorbenen abgeholt haben sagen, dass ich jetzt Besuch bekomme… jeden Tag… er oder sie wird mir Fragen stellen, wie es mir geht, ob ich erbreche, Durchfall habe, Schmerzen. Viele Menschen haben jetzt Schmerzen, Durchfall, Fieber…

Die Regenzeit und damit die Malariasaison haben begonnen. Hier hat jeder mal Durchfall…

Diesmal, so erklärt man mir, soll ich mich melden, wenn ich Beschwerden bekomme. Dann wird mir Blut abgenommen und ich komme sicherheitshalber ins Ebolacenter in Kailahun… wenn ich Glück habe und es Sprit gibt. Es gibt für den ganzen Distrikt Kailahun drei spezielle Ambulanzwaegen, wovon einer defekt ist. Über 500.000 Einwohner hat Kailahun, auf einer Grösse von ca. 60 x 60 km. Manchmal braucht es drei Tage bis sie Menschen holen. Eine Ambulanz ist in Wirklichkeit ein Geländewagen, in dem bis zu 10 Menschen Platz finden müssen. Potentielle Fälle und Erkrankte sitzen gemeinsam in dem Wagen.

Die Telefonnummer, die man anrufen soll ist eine Handynummer. Das Handynetz war drei Tage zusammengebrochen. Also selbst wenn ich gewollt hätte, ich hätte niemanden erreicht. Die Motorbiker, die hier quasi die Taxifahrer sind, weigern sich, mich mitzunehmen.

Der Leichnam soll beerdigt werden. Alles riecht nach Chlor. Das Team hat Schutzkleidung an, schaut, dass alles OK ist. Der Imam bzw. der Pastor sprechen Gebete. Ich habe keine Ahnung, wer in dem Sack liegt, der begraben wird. Ich hoffe, es ist mein Angehöriger. Alle meiden Koerperkontakt untereinander – speziell aber mit mir. Sollte ich in den kommenden drei Wochen keine Probleme bekommen, sei ich nicht erkrankt. Das habe ich auch meinen Nachbarn erzählt. Sie glauben mir nicht wirklich. Auch sie haben Angst. Woher unsere Familie das bekommen hat wissen wir nicht. Man hat uns gesagt, dass es eventuell von dem toten Affen war, den wir gefunden haben, der zubereitet worden ist. Die Zubereitung hätte schon gereicht.

Auch ein anderer Nachbar wurde abgeholt- vor einigen Tagen schon. Er war krank, gestern hat man uns gesagt, dass er gestorben ist. Er war noch lebendig, als er weggebracht worden ist. Ob „SIE“ das waren, die Leute mit den Masken, den Anzügen? Ich habe gehört, die Kranken bekommen Spritzen, evt. wird Ihnen das Virus injiziert, … oder sie brauchen Organe, die sie unseren Freunden entnehmen und den Rest begraben „SIE“ dann. Man sieht die Verstorbenen ja nicht mehr in diesen Säcken.

Was ich jetzt machen werde? Das Dorf hat gestern versucht den letzten Wagen vom Gesundheitsministerium zu vertreiben. Sie haben Angst, dass „SIE“ uns den Tod bringen.

Ich werde wohl versuchen in ein anderes Dorf zu gehen… so schnell wie möglich.. dort nimmt man mein Geld, man kennt mich nicht. Ich merke zwar, dass mich der Durchfall schwächt, aber ich glaube nicht an dieses Ebolazeug. Ich werde einfach ganz früh starten, damit mich niemand sieht.. Ich habe Angst- Angst vor dem was kommt, was alle über mich denken und vor den Menschen in den Anzügen, an denen der Tod haftet…..

Diesen Problemen stehen wir täglich gegenüber. Unsere Aufgabe ist es, einfühlsam die Menschen zu informieren, sie zu betreuen und vor allem der grossen Mehrheit der Menschen die Angst zu nehmen. Es gibt ein Krankenhaus, in dem geholfen wird, es gibt Chance auf Heilung. Je mehr Menschen Angst haben, umso eher gibt es Zwischenfälle, von denen das Rote Kreuz hier in Sierra Leone aber bisher verschont geblieben ist. Je mehr Menschen uns und unseren Botschaften vertrauen, umso mehr Menschen werden überleben. Flucht ist hier keine Lösung

Unsere Kolleginnen haben einen Slogan dafür gefunden:

„Spread the words not the disease“

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