Von Marco Skodak.
“Hi I’m the Lab-Guy!” Wenn wir in den letzten Wochen bei Besprechungen oder in den Camps Menschen getroffen haben, die sich auch mit Trinkwasser beschäftigen, oder, wie es international gerne heißt, im WASH–Sector (Water, Sanitation & Hygiene) arbeiten, dann war das mein häufigster Vorstellungssatz. Wenn so viele Menschen wie in Bangladesch mit einem Schlag in Gegenden leben, in denen es vorher kaum Infrastruktur gab, dann stößt man schnell an Grenzen, auch beim Trinkwasser. So wurden von verschiedenen Organisationen in möglichst schneller Zeit möglichst viele Brunnen installiert, die, wie mein Kollege im ersten Blog schon beschrieben hat, oft nicht sehr tief sind und Latrinen in nächster Nähe haben.
Natürlich geht und ging es uns nicht darum andere Organisationen zu kontrollieren, sondern darum, genügend Informationen zu gewinnen um die besten Antworten auf eine Krise wie diese zu finden. Viele kennen sicher das Gefühl, wenn die Not groß ist, will man so schnell wie möglich helfen. Damit unsere Hilfe aber nicht zu einem kopflosen Losstürmen wird, das im Endeffekt mehr Probleme schafft als löst, braucht es Information. Mit ein bisschen Stolz können wir sagen, dass viele der derzeit vorhandenen Informationen bezüglich Trinkwasser aus den von uns gesammelten und aufbereiteten Daten stammen. Mit diesen Daten und den daraus gezogenen Schlüssen und Handlungen können wir immer wieder auch anderen Organisationen unter die Arme greifen. Doch was soll man sich unter einem Feldlabor vorstellen? Und womit beschäftigen wir uns eigentlich?
Feldlabor – Man nimmt was man kriegt
Feld Labor bedeutet nicht unbedingt Arbeit auf offenem Feld. Dieses Labor besteht aus ein paar Kisten mit Geräten, Tests und Laborausrüstung und kann fast überall aufgebaut werden. Da eine stabile Stromquelle, ein Kühlschrank und Räume mit konstanter Temperatur aber von Vorteil sind, waren Ich recht froh ein Hotelzimmer übernehmen zu können, in dem das Bett und sonstige Einrichtungen gegen Tische und unser Material getauscht wurden.
E-Coli – der kleine Indikator
Escherichia Coli ist ein Bakterium, das Mensch und Tier mit sich herumtragen. Es ist in unserem Darm zu finden und die meisten Angehörigen dieser Spezies sind nicht krankheitserregend. Da es aber von Lebewesen in großer Menge ausgeschieden wird und eine Zeit lang auch außerhalb des Darms überlebt, ist es ein guter Indikator dafür, ob getestetes Wasser mit Fäkalien in Berührung gekommen ist. Finden wir E-Coli im Trinkwasser, müssen wir annehmen, dass Krankheiterreger, die zum Beispiel heftigen Durchfall auslösen, auf demselben Weg übertragen werden könnten. Auch wenn solches Wasser heute vielleicht niemanden krank macht, gilt es als unsicher, da morgen bereits Krankheitserreger drinnen sein könnten.
Nach über 200 Proben in zwei Monaten können wir sagen, dass ein großer Teil der Brunnen, die nur einige Meter tief reichen, bereits kontaminiert sind. Solange die Bevölkerung auf diese Brunnen angewiesen ist können sich Krankheiten also schnell ausbreiten. Nachdem meine Kollegin Anja Pfeifer-Maier in der ersten Rotation schon mit den damaligen Proben zu diesem Ergebnis gekommen war und Alarm geschlagen hatte, flossen unsere Informationen in die Entscheidung mit ein, gegen Cholera zu impfen und die WHO beschloss, selbst einige Tests durchzuführen die unsere Daten bestätigten.
Bangladesch ist bekannt für Arsen
Wenn es um Trinkwasser geht, verbindet man Bangladesch schnell mit hohen Werten an Arsen. Hier gibt es einige Gebiete, die große Probleme mit diesem Thema haben und in denen viele Menschen an den Langzeitschäden leiden. Für uns Grund genug, uns das Thema genauer anzusehen. Da jede Probe auf Arsen zu testen einen gewaltigen Aufwand bedeutet hätte, wurden von uns Proben über das gesamte Gebiet verteilt genommen. Verschiedene Brunnen wurden ausgewählt, ganz bewusst flache als auch tiefe. So konnten wir eine Art Übersichtskarte erstellen, die zeigt, dass es nur am südlichen Rand unserer Camps eine Belastung mit Arsen gibt. Auch wenn wir hier im Rahmen unserer begrenzten Möglichkeiten natürlich keine hochgenauen Analysen durchführen konnten, sind diese Daten doch ein guter Ansatzpunkt für weitere Untersuchungen und erste kurzfristige Entscheidungen, die getroffen werden müssen.
Chlor – Die Suche nach der Lösung
Neben langfristigen Projekten wie Tiefenbrunnen, die hoffentlich die vorhandenen Probleme im Wasserbereich lösen können, müssen wir so gut es möglich ist gegen diverse Krankheiten gerüstet sein. Eine schnelle Lösung ist dabei die Behandlung mit Chlor, wie wir es aus unseren Swimmingpools kennen. Es kann fast alle Keime abtöten. Wichtig ist dabei die genaue Dosierung! Zu wenig bedeutet, dass Keime überleben könnten. Zu viel Chlor im Wasser macht es aber untrinkbar und wird in den meisten Bevölkerungen auf große Ablehnung stoßen. Dieser Einsatz gilt als einer, in dem es für uns keine einfachen Lösungen gibt und so ist es auch in diesem Fall. Verschiedene Brunnen, die oft nur wenige Meter auseinanderliegen, zeigen große Unterschiede darin, wie viel Chlor benötigt wird. Dies kommt von einem hohen Gehalt an Eisen im Wasser, das zusammen mit dem Chlor reagiert und Flocken bildet. Diese Flocken färben das Wasser dann – je nach Menge – Gelb bis Orange. Diese Verfärbung geschieht auch von selbst, sobald das Wasser aus dem Boden und mit Luft in Berührung kommt, der Vorgang dauert aber ohne Chlor länger. Für uns bedeuteten diese Fakten viele Tests und Spielerein, um brauchbare Ergebnissen zu erhalten und den Menschen sicheres Trinkwasser zur Verfügung stellen zu können. Vor meinem Abflug aus Cox Bazar durfte ich das Lab noch an Christopher Friedrich übergeben, der als Teil der dritten Rotation unsere Arbeit für möglichst gute Informationen fortführt.