Bangladesch, Rohingya und ein etwas anderer Einsatz

Seit Mitte August sind Hunderttausende Menschen vor Gewalt in Myanmar über die Grenze nach Bangladesch geflohen. Als Delegierte des Österreichischen Roten Kreuzes helfen wir den Menschen sauberes Wasser zur Verfügung zu stellen.

von Wilfried Hildenbrand

Wilfried Hildenbrand installiert eine Wasserentnahmestelle in Bangladesch.

Als ich aus Wien den Anruf erhielt dachte ich noch: Da fährst du hin, holst eine Wasseraufbereitungsanlage für 40 000 Personen (M40) aus dem Lager und baust sie in Bangladesch auf. Schon bei den ersten Meetings stellte sich dann heraus, dass die Sache diesmal wohl ein wenig komplexer werden würde, und so bin ich am 27. September spätabends samt einer riesigen Kiste voller Laborequipment in Wien Schwechat gestartet.

Über Dubai erreichte ich Dhaka – die Hauptstadt von Bangladesch – am nächsten Abend. Es regnete stark. Wie fast schon üblich fehlte auch diesmal eine Kleinigkeit vom privaten Gepäck und schon beim Ausfüllen des üblichen Formulars fiel mir die extreme Hilfsbereitschaft der Bengalen auf, die bis heute allgegenwärtig ist. Leider war die Maschine in die Krisenregion, in die hügelige Gegend in der Provinz Cox´s Bazar, für den nächsten Tag bereits ausgebucht. Also musste ich einen Tag warten. Beim Einchecken am US Bengal Schalter die freudige Überraschung, dass meine 45 Kilo schweres  Übergepäck ohne Aufzahlung mitgenommen wurden. Ein „Ja“ auch auf die Frage des Personals, ob ich für die Rohingya komme, war genug.

Das Team, bestehend aus zwei Schweden, einem Italiener, einem Japaner und Anja Pfeifer-Maier aus der Steiermark (Anja ist unsere Labor-Lady und wartete schon sehnsüchtig auf das mitgebrachte Equipment), erwartete mich schon, um mich umgehend über alle Aktivitäten zu informieren. Mittlerweile verstärkt noch ein Australier unser Team, das zwar aus vielen Ländern kommt, aber bestens zusammenarbeitet.

Unser Einsatzgebiet sind zwar verschiedene Camps: Diese sind aber zusammengewachsen, sodass wir eigentlich von einem Camp mit verschiedenen Sektoren sprechen können. Das Managona Camp beherbergt rund 70 000 Flüchtlingen, das Hakim Para Camp 20 000 Flüchtlingen und das Burma Para Camp 16 000 Flüchtlinge. Da wir aber die einzigen sind, die ein schnell anwendbares System für den Fall eines sektoralen Choleraausbruches haben, ist es möglich, dass wir auch in anderen Teilen des Lagers zum Einsatz kommen.

Quartiere aus Holz und Plastik – so weit das Auge reicht.

Es ist beeindruckend, wie schnell die Flüchtlinge ihr Leben hier organisiert haben. Sie haben in die Hügel Plattformen gegraben, Hütten gebaut, und für jeden Block wurden offizielle Sprecher gewählt. Wenn wir kommen, können wir uns kaum der helfenden Hände erwehren, die sofort zur Stelle sind und uns interessiert und dankbar unterstützen, aber auch ihr vorhandenes Wissen einbringen. Normal installieren wir in der Nähe eines solchen Camps bei einem verschmutzten Süßwasser- führenden Fluss oder See eine Trinkwasseraufbereitungsanlage und bringen das Wasser mit Lastwagen in das Camp. Wir befinden uns aber in der Nähe des Meeres und bei Flut dringt Salzwasser in die Bäche und Flüsse, was eine Entnahme für uns unmöglich macht.

In diesem Gebiet gibt es nur eine Straße, die an einer Seite am Camp vorbeiführt und man muss zu Fuß über steile, ca. 20 Meter hohe Hügel hineinwandern. Da gerade Regenzeit ist, haben wir einen sehr hohen Wasserspiegel und es gibt eine Menge selbst installierter Handpumpen, die eiligst zwischen vier und 12 Meter tief geschlagen wurden. Diese sind durch die Latrinen allerdings fast zur Gänze mit E. Coli Bakterien hoch verseucht, wodurch die Durchfallerkrankungen ansteigen und ein Choleraausbruch befürchtet wird. Daher haben wir zwei unterschiedliche Systeme entwickelt.

Bei einem System wird direkt bei den Handpumpen eine Chlorlösung in die Gefäße der Flüchtlinge gegeben und beim anderen suchen wir Bohrlöcher, die genug Wasser für kleine Pumpen liefern um Tanks zu füllen, Chlor beizumischen und dann das Wasser abzugeben. Da in ein bis zwei Monaten durch das baldige Ende der Regenzeit diese Bohrlöcher austrocknen werden, arbeiten wir mit Hochdruck an einem Plan, Tiefenbohrungen durchzuführen und ein Verteilsystem zu installieren. Wir arbeiten sehr eng mit dem Bengalischen Roten Halbmond sowie den anderen ERU-Einheiten wie der MSM 20 (Spanier und Engländer) und dem Feldhospital (Norweger, Finnen und Alex ein alter Bekannter aus  Kroatien) zusammen.

Ein kleines Beispiel der extrem unterschiedlichen Herausforderungen, mit denen die Flüchtlinge es hier zu tun haben möchte ich noch anmerken: Da es hier noch wildlebende Elefanten gibt, und deren Wege direkt durch das Camp führen, gab es schon einige Attacken, bei denen Verletzte und vor meiner Ankunft sogar zwei Tote zu beklagen waren. Ich hoffe einen kleinen Einblick in diese für die Flüchtlinge so extreme Lage gegeben zu haben. Am 16. Oktober fliegen Marko Skodak und Gudrun Weidhofer nach Bangladesch, um mich und Anja abzulösen. Für das Rote Kreuz gibt es noch viel zu tun. Leider.

 

 

 

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