Während unsere Helden in Haiti an Internet-Verbindungen basteln, wollen wir einen Blick auf die „Hintergründe“ der heurigen Sturm-Saison werfen. Derzeit zieht ja bekanntlich Ike über Texas und hat dabei den Raum Galveston – Houston verwüstet. Die US-Amerikaner rechnen nach ersten Schätzungen mit rund 15 Milliarden Dollar Schaden.
In Haiti spricht die Regierung mittlerweile von der „größten Katastrophe, die das Land in den vergangenen Jahren getroffen hat“. Die Stürme „Fay“, „Gustav“, „Hanna“ und „Ike“ haben lt. Regierung zumindest 326 Menschenleben gefordert (OCHA spricht bis jetzt von mehr als 500 Toten). 170.000 Familien sind obdachlos, Infrastruktur in großem Ausmaß zerstört…
Was ist ein Tropensturm?
In den Amerikas werden Tropenstürme als „Hurrikan“ (vermutlich aus einer alten Maya-Sprache kommend und soviel wie „Gott des Windes“ bedeutend), im Bereich des indischen Subkontinents „Zyklon“ und im Raum des West-Pazifiks als „Taifun“ (zB in Japan) bezeichnet. Unter der Hurrikan-Grenze liegende starke Winde bezeichnen die Meteorologen übrigens als „tropical storm“ , die Wirbelstürme selbst werden weltweit auf der fünf-teiligen Saffir-Simpson-Skala (nach den Windgeschwindigkeiten, die sie erreichen) eingeteilt. Für Mathematiker: Die Zerstörungskraft eines Hurrikans wächst dabei mit der dritten Potenz der Windgeschwindigkeit.
Hurrikans (bleiben wir mal bei der Bezeichnung für alle Tropenstürme) sind ein langlebiges Wetterphänomen – sie bewegen sich langsam um sich selbst drehend fort (nur 15–30 km/h), können dabei hunderte Kilometer im Durchmesser erreichen und über Wochen bestehen – daher sind sie prinzipiell ein vorhersagbares Problem, auch wenn ihre genaue Routenberechnung nur ungefähr sein kann.
Die Windgeschschwindigkeiten des Hurrikans (nicht zuverwechseln mit der Geschwindigkeit der Fortbewegung) können dabei unglaubliche 300 km/h erreichen. Das „Auge“ des Sturmes – windfrei und regenfrei, dazu auch noch wolkenarm im Zentrum des Hurrikans gelegen, kann mit dem Ende des Sturms verwechselt werden – eher schlecht für diejenigen, sie sich aus dem schützenden Bereich ihres shelters begeben…
Die Saison dauert auf der Nordhalbkugel von grob von Mai bis Dezember, mit Schwerpunkt von Juli bis September. Den Anfang der Saison macht meist der südost-asiatische Raum, wo heuer schon im Ende April / Anfang Mai „Nargis“ für verheerende Zerstörungen sorgte (ihr erinnert auch an das ERU WatSan-Deployment nach Myanmar mit all seinen Herausforderungen…). Die Grundlagen für solche Stürme sind immer die gleichen.
Wie entsteht ein solcher Sturm? (ich bin mal so frei und zitiere Wikipedia, weil ich selbst nicht so schlau bin)
„Die meteorologische und thermodynamische Funktion eines Hurrikans besteht darin, dass er sehr große Mengen Wärme von der Oberfläche der tropischen Ozeane aufnimmt und zunächst in die Höhe und dann in Richtung der Pole transportiert, in der Höhe wird die Energie dann nach und nach ins Weltall abgestrahlt.“
Die Voraussetzungen für die tropische Sturmbildung sind:
1. Das Meer muss eine Oberflächentemperatur von mindestens 26,5 °C und die Luft eine gleichmäßige Temperaturabnahme zu großen Höhen hin aufweisen. Bei sehr starker Temperaturabnahme, die das Aufsteigen der feuchtwarmen Luft begünstigt, können niedrigere Wassertemperaturen ausreichen.
2. Das betroffene Gebiet gleichmäßiger Bedingungen muss ausgedehnt sein, damit sich der bewegende Wirbelsturm über längere Zeit durch die Wasserdampfbildung aufbauen und genug Energie bis zur Stärke eines Hurrikans sammeln kann.
3.Der Abstand vom Äquator muss groß genug sein (mindestens 5 Breitengrade oder 550 km), da nur dann die Corioliskraft (das gleiche Zeug ist auch dafür verantwortlich, daß sich der Strudel beim Ablaufen aus der Badewanne auf der Nordhalbugel gegen den Urhzeiger dreht) ausgeprägt genug ist, um den zuströmenden Luftmassen die typische Drehung zu geben.
4.Der Wind in der Höhe muß mit ähnlicher Stärke und aus der gleichen Richtung wehen wie der Bodenwind. Sonst bekommen die aufsteigenden Winde eine Schräglage und der Kamin des Sturms bricht zusammen. „El-Niño“ schwächt dabei die Internsität der Stürme eher ab, weil er solche „Scherungen“ begünstigt.
5.Der Sturm braucht einen Kern, aus dem er sich aufbauen kann, zum Beispiel ein außertropisches Tief.
Die Atlantic Multidecadal Oscillation (AMO; deutsch etwa Atlantische Multidekaden-Schwankung, als Begriff für die Schwankung der Meeresoberflächentemperatur im Atlantik) wechselt etwa alle 40 bis 80 Jahre zwischen ‚warmen‘ und ‚kalten‘ Phasen. Sie beeinflusst die Intensität von Hurrikans (im Pazifik gibt es ein ähnliches Phänomen). Im Nordatlantik gilt, dass sich bei ‚warmer‘ AMO deutlich intensivere Hurrikansaisons ereignen als bei ‚kalter‘. Seit etwa 1995 befindet sich die AMO wieder in einer Warmphase, weshalb die Hurrikanintensität im Trend wieder deutlich zunimmt. Die WIssenschaft geht davon aus, dass diese Phase erhöhter Hurrikanintensität noch etwa 10 bis 40 Jahre anhalten wird.
Meist bewegen sich atlantische Hurrikane kurz nach der Entstehung überwiegend nach Westen bis Nordwesten (weiter nördlich drehen sie dann nach Norden bis Nordosten ab). Es gibt aber auch faktisch unbewegten Hurrikanen bis hin zu tänzelnden und schleifenförmigen Verläufen („Hanna“ hat zB Haiti mit einer Schliefe überrascht und die durch „Gustav“ in Mitleidenschaft gezogenen Landstriche weiter verwüstet – Ike gab dann noch eins drauf…)
Namensgebung
Die Meteorologen geben ihren „Kindern“ Namen: Es werden vorher festgelegte Namenslisten mit je 21 Namen verwendet (übrigens erst sein den Achtigern männlich und weibliche Vornamen, zuvor waren -politisch unkorrekt- alle bösen Stürme weiblich). Derzeit werden in einem Turnus von 6 Jahren immer wieder die gleichen Namen verwendet. Allerdings können Namen ganz von der Liste verschwinden, wenn ein Hurrikan besonders schlimmen Schaden angerichtet hat (zB ist „Ivan“ nach dem Jahre 2004 gestrichen worden, stattdessen ist „Igor“ auf der Liste).
Sollte der „Namensvorrat“ in einem Jahr nicht ausreichen, werden die nachfolgenden tropischen Stürme nach dem griechischen benannt (erstmals in der Saison 2005, als der 22. Tropensturm der Saison Alpha, der 23. … genannt wurden).
Während der erste Sturm jedes Jahres im Atlantik einen Namen bekommt, der mit einem A beginnt, wird im Zentralpazifik jeweils der nächste Name der Liste vergeben, unabhängig von Jahr oder Buchstaben.
Derzeit halten wir im Atlantik bei „Josephine“ (die allerdings noch über dem Meer verendet ist, während Ike noch aktiv ist), im Pazifik ist „Lowell“ der letzte vergebene Hurrikan (gerade über Mexiko). Der letzte Taifun heißt „Sinlaku“ (=“Göttin“, über Taiwan noch aktiv) , der letzte Zyklon (wie wir aus leidvoller Erfahrung wissen) „Nargis“ (=Narzisse).
Klimawandel?
Nachdem die Hurrikane ihre Energie aus warmem Oberflächenwasser der Meere beziehen, kann die beobachteten leichten Erwärmung der Oberflächentemperatur durch die globale Erwärmung möglicherweise zum vermehrten Auftreten schwerer Hurrikane beitragen. Darüber streitet die WIssenschaft aber noch.
Das Team in Haiti tut jedenfalls sein Bestes, um die Auswirkungen von „Fay“, „Gustav“, „Hanna“ und „Ike“ zu lindern…
Jürgen