Weihnachten war für mich gestern.
Vor 4 Wochen ging mein Einsatz in Monrovia zu ende. Was danach kam, ist bekannt:
Inkubationszeit
Das Wort, das vielen Menschen Angst macht. Wir haben versucht, die Zeit als „Cool Down Phase“ zu etablieren. Es hört sich ungefährlich an- es WAR und IST in meinem Fall ungefährlich.
Was macht man in einer Cool Down Phase oder was macht man nicht? Zunächst mal ist man bzw. war ich NICHT infektiös. Ich verstehe die Angst vieler Menschen, dass Ebola auch hier ausbrechen könnte und das ich unter Umständen ein Überträger sein könnte. Genau dafür haben wir eben vorgesorgt
Ich war nicht im Kino, Theater oder auf Konzerten. Ich ha be kein Theater gespielt.
Fakten hierzu:
Eine Infektion und damit eine Übertragung kann nur stattfinden, wenn man selbst, also ich, Symptome hat.
Das sind unter anderem Fieber >38°C, Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, starke Kopf- und Glieder Schmerzen.
Eine Übertragung findet durch Bushmeat (Fleisch von Wildtieren), Berühren von Exkrementen Erkrankter und sich danach ins Auge fassen und Berühren von an Ebola Verstorbenen statt.
Bushmeat, also Affen, Flughunde- eine große Fledermausart-, .. ist auch in Österreich schwer zu bekommen. Dies fällt somit aus.
An Ebola verstorben ist auch bei uns zum Glück noch niemand. Also scheidet auch die Infektionsquelle aus
Bleiben noch Exkremente von Erkrankten. Ich bin nicht erkrankt, ich war nicht erkrankt und hatte weder Durchfall noch Fieber.
Man hörte Horrorszenarien aus verschiedenen Ländern. Kranke Menschen sind U Bahn gefahren,… Es ist nichts passiert. Natürlich war es auch Glück, war es evt. Auch eher Panik, Angst als wirklich Gefahr. Um hier in Österreich vorzubeugen wurde die Cool Down Phase eingeführt. Ich machte es mir in einem kleinen Häuschen in der Steiermark gemütlich, ging ein bisschen Nordic Walken auf die Felder, wo Fuchs und Hase sich „Gute Nacht“ sagen und mied Körperkontakt. Konzerte, Kino und Theater waren tabu. Zweimal täglich habe ich Fieber gemessen und einmal täglich mit meiner Chefin telefoniert, sie davon überzeugt, dass ich lebendig und gesund bin.
Vom medizinischen Standpunkt aus wäre es vermutlich sogar egal weil fast risikofrei gewesen, da OHNE Symptome und Ausbruch der Erkrankung kein Risiko bestanden hätte.
Als Rotes Kreuz haben wir aber eine Verantwortung allen Menschen gegenüber und wollten bewusst nicht auch noch zusätzlich Angst schüren. In der Medizin ist ja bekanntlich nichts 100 %ig. Also ging es ab in die Isolation.
Am Anfang dachte ich noch: alles kein Problem, alles locker. Doch nach 5 Wochen Einsatz, wo es keinerlei Berührung, kein Hände schütteln gab, lechzt man nach jedem Kontakt. Dies musste jetzt noch weitere drei Wochen warten. Es hatte zwei Dinge zur Folge: Lagerkoller und ein Bedürfnis nach Umarmung.
Lesen, das Fernsehen, Internet und leider auch das Essen waren meine Beschäftigungen- nicht sehr ergiebig aber schön, wenn man davor 60 Stunden und mehr pro Woche gearbeitet hat. Ich konnte sogar für unsere Musicalaufführung üben. Skype sei Dank gab es Feedback von unserem Kursleiter.
Menschen, die mich heute sehen haben oftmals nur eine Frage: „Bist Du eh nicht mehr infektiös?“
Danach grinsen sie mehr oder wenig unsicher. Nein, ich bin nicht mehr infektiös– ich war es nie. Sie meinen es nicht böse, sie wissen es nicht genau. Sie sind unsicher, hoffentlich nicht ängstlich. Zur Erinnerung: Man ist nur infektiös, wenn man die Erkrankung hat, Symptome zeigt und andere Menschen mit den Exkreten Kontakt haben.
Einer der schönsten Augenblicke für mich war, als ich nach der Cool Down Phase in unsere Theatergruppe kam und alle her gestürmt sind und mich umarmt haben. Ich hatte vor meinem Abflug alles genau erklärt- also von wegen Symptomen und so. Gaby war die erste und ich wäre fast zurück gewichen, weil ich so viel Zuneigung nicht mehr gewohnt war. Es war neben meiner Frau der herzlichste Empfang in Österreich und ein sehr warmer.
Ich hatte auch einen total netten Vortrag bei der RK Jugend des Wiener Roten Kreuzes- innerhalb der Inkubationszeit. Daher haben wir einfach Skype benutzt. ca. 70 min. gab es Bilder, Geschichten vom Einsatz und wurden Fragen beantwortet. Ein tolles Erlebnis
Was blieb von fünf Wochen Einsatz im Ebolagebiet?
Ja, die Geburtenstation wurde eröffnet und läuft. Ein tolles Gefühl, dies vollbracht zu haben. Es gibt wieder ein klein wenig mehr Normalität. Wir sind aber weit von jeder Besserung entfernt.
Derzeit erkranken ca. 30-50 Menschen pro Woche in Liberia. Jeder neu Erkrankte hat eine Familie und somit potentiell ca. 5-20 Menschen evt. infiziert. Diese müssen beobachtet werden. Schlimmer ist es in Sierra Leone: Hier gibt es täglich etwa 30 bis 40 neue Erkrankungen- ca. 250 pro Woche, 1.000 pro Monat. Natürlich ist die Zahl gegenüber anderen Erkrankungen nicht so hoch aber aufgrund der rasanten Ausbreitungsgeschwindigkeit kann sich alles weiter ausbreiten. Auch dieser Ebola Ausbruch hat mit EINEM Fall begonnen.
Was blieb sind auch eine Menge Pressetermine, die mich quer durch Wien und quer durch die Medienlandschaft geführt hat. Von total schrägen Interviews, über sehr herzliche auf FM4 und Ö1- Fotoshootings usw.. bis hin zur Nominierung zur „Person oft he Year“ des Time´s Magazine. Für mich sind all die freiwilligen Helfer des lokalen Roten Kreuzes in Guinea, Sierra Leone und Liberia „Person of the Year“. Sie setzen tagtäglich ihr Leben aufs Spiel, werden zum Teil von ihren Familien aus Angst vor Ebola verstoßen. Manche Kollegen in Sierra Leone berichteten davon, dass sie daheim nicht mehr Willkommen wären. Auf die Frage des „Warum?“, gaben sie lediglich zur Antwort:“ Wir müssen doch unserem Land helfen“.
Ich fühle mich ein klein wenig als Teil von ihnen, als „Person oft he Year“. Wenn ich aber so nach denke, wie ich nach der Cool Down Phase wieder arbeiten kann, keine Angst vor der Erkrankung haben muss, Angst um meine Lieben, meine Freunde, dann merke ich den Unterschied. Diese Interviews gab ich nicht aus persönlichem Geltungsdrang sondern auch hier zur Information. Ich musste einigen Moderatoren die Angst vor mir nehmen. In Summe versuche ich in Österreich via Medien die gleiche Botschaft, die gleichen Fakten zu verbreiten, wie zuvor in Westafrika. Das Rote Kreuz bittet mich da und dort hin zu gehen und ich gehe. That´s all.
Ich genieße den Applaus auf der Musicalbühne, nicht aber in Zeitungen, Radio und Fernsehen.
Vielleicht gehe ich 2015 wieder runter, vielleicht nicht- das ist hier auch nicht wichtig. Ich danke aber abschließend allen Helferinnen und Helfern, die egal für welche Organisation, egal zu welcher Arbeit in das Ebolagebiet geflogen sind, sich dem Risiko ausgesetzt haben und hoffentlich alle wieder gut daheim sind oder bald kommen. Sie haben geholfen, dass sich das Virus nicht über Afrika und damit evt. auch nach Europa, Amerika,… verbreitet hat. Leider kann man sowas fast nicht in Zahlen fassen. Man kann präventiv nicht sagen: Durch die Arbeit der 100en HelferInnen sind jetzt 9.324 Menschen nicht an Ebola erkrankt und haben daher überlebt
Ich verstehe jeden, der sagt, er oder sie möchte sich das nicht antun, hat Respekt oder Angst davor. Ich bewundere jede und jeden, die/der doch fährt.
Ich bewundere auch meine Frau, die ich heute zum Flughafen gebracht habe.
Gestern Abend haben wir Weihnachten gefeiert. Wir haben gegessen, ich hatte kein Geschenk für sie, da es auf dem Postweg verloren gegangen ist. Aber wir haben einen schönen Abend verbracht. Das letzte Mal für über vier Monate. Sie macht dort weiter, wo ich gehen musste. Sie wird für unseren Kollegen vom Deutschen Roten Kreuz arbeiten und das Österreichische würdig vertreten.
Weihnachten war für mich gestern. Ab heute zähle ich die Tage, bis ich sie wieder sehe- es sind übrigens noch 130…
Frohes Fest Euch allen