10 Jahre danach: persönliche Erinnerungen an die Katastrophe.

Stefanitag 2014. Zehn Jahre nach der Tsunamikatastrophe in Südasien. Zeit, ein wenig in der eigenen Erinnerung zu graben. Der Weihnachtsurlaub gibt mir Zeit, meine alten Mail- und Dokumentenarchive anzusehen, die alte Website zu durchforsten um mich selbst wieder zu erinnern.

Der Beginn

Weihnachtsurlaub hatte ich auch, im Jahr 2004. Wir waren – noch nicht lange verheiratet – bei der Schwiegermutter in Stadt Haag, ich hab‘ schon in der Früh die Meldungen aus den verschiedenen Alarmkanälen erhalten, dass in Südasien – irgendwo vor Indonesien etwas wirklich Großes passiert sein könnte. Ich war damals Presseverantwortlicher im Generalsekretariat des Österreichischen Roten Kreuzes und – wie eigentlich fast immer – in Rufbereitschaft. Nach einem Telefonat mit Jürgen Högl, der damals den nationalen Disastermanagement-Desk leitete, habe ich mich irgendwann gegen 11:00 Uhr entschlossen, nach Wien zu fahren. „Wir treffen uns am Nachmittag im Büro“, war unser Plan. Was wirklich passiert ist, wusste um diese Uhrzeit niemand.

Während einer nach dem anderen aus dem Weihnachtsurlaub anrief, die Kollegen, die in Wien waren kamen dann ins Büro, fuhren wir einen Krisenstab hoch und versuchten uns innerhalb Österreichs und mit den internationalen Kollegen in Genf und in Bankok zu vernetzen. Es war rasch klar, dass vor Ort tausende Österreicherinnen und Österreicher im Weihnachtsurlaub waren (auch ich war eigentlich noch bis 19. November in Khao Lak auf Hochzeitsreise), viele von Ihnen waren mit der Austrian Airlines unterwegs. Von den Schäden wusste man wenig. Ein Tsunami soll nach dem Erdbeben viele Meter hoch alles überflutet haben, wo genau das war nicht wirklich klar.

Eine erste Presseaussendung zu Mittag am 26. Dezember war ein Spendenaufruf, gegen 17:00 Uhr wussten wir schon mehr: „Unsere Experten sind seit dem Vormittag in Alarmbereitschaft versetzt. Im Moment gilt es, die Ergebnisse des internationalen Rotkreuz-Evaluierungsteams abzuwarten, das in den nächsten Stunden in der Katastrophenregion eintrifft. Anhand der Erfahrungen dieser Experten helfen wir zielgenau“, so Dr. Kopetzky, Rotkreuz-Generalsekretär.

Repatriierungen aus dem Katastrophengebiet

Im Hintergrund koordinierten uns mit dem Außenministerium und der AUA, um hinsichtlich der Repatriierungen, also der Rückführung betroffener Österreicher Hilfe leisten zu können. Hunderte Rotkreuz-Mitarbeiter in ganz Österreich wurden in Alarmbereitschaft versetzt. Das Außenministerium richtete eine Hotline ein, wir bereiteten die ersten Kriseninterventionsteams vor – die AUA-Maschinen ins Katastrophengebiet wurden mit Rotkreuz-Notärzten (und später auch mit psychsozialen Fachkräften) besetzt.

Erstes Hilfsteam nach Colombo

Bereits am 27. Dezember konnte ein erstes Hilfeteam nach Sri Lanka fliegen, um einerseits die Rückkehr Betroffener zu unterstützen und andererseits die internationale Hilfe in Sri Lanka vorzubereiten. Unter der Einsatzleitung von Günter Stummer aus Wien haben Gerhard Huber, Ing. Toni Holzer und Vinzenz Mihelak aus Salzburg, Werner Liebetegger aus der Steiermark und Petra Schmidt aus Niederösterreich am späten Nachmittag des 27. Dezember Wien in Richtung Sri Lanka verlassen.

Am 28. Dezember berichtet Günter Stummer aus Colombo: „Wir hatten bereits Kontakt zu mehreren Österreichern und sind im Moment dabei, die Hotels der Stadt zu kontaktieren, um auch von dort Informationen zu sammeln“.

Neben einer Sondermaschine nach Colombo, um verletzte auszufliegen besetzten Rotkreuz-Teams aus Ärzten, Kriseninterventionsmitarbeitern und Notfallsanitätern alle Linien- und Charterflüge der AUA in die Katastrophenregion. Für die Betreuung der mit den nächsten Flugzeugen zurückkehrenden Österreicher in Schwechat wurden am 28. Dezember zur Unterstützung der Wiener Rettung vor Ort 45 Rotkreuz-Einsatzfahrzeuge bereitgestellt. Ein eigener Verbindungsoffizier des Bundeskommandos – in Person von Franz Jelinek (der übrigens am 26. Dezember Geburtstag feiert: Alles Gute!) – wurde am Flughafen in Schwechat stationiert um diese Aktivitäten zu koordinieren. Aufgrund der Sonderstellung des Flughafens erfolgte zusätzlich eine Koordination mit der Rettung der Stadt Wien und der Wiener Akutbetreuung.

Bloß Presse und Medienarbeit?

Mein Job war die Koordination der Presse und Medienarbeit – zu diesem Zeitpunkt zwei Tage nach der Katastrophe hatten wir mehrere hundert Medienanfragen und viele Kamerateams bei uns im Haus, im Katastrophenhilfelager (damals noch im Prater), am Flughafen, …

Ein kurzer Blick in meine Zeitaufzeichnungen von damals zeigt mir, dass ich eigentlich rund um die Uhr im Büro war. Gerne wäre ich damals auch in einem der Hilfeteams gewesen, mit hinaus ins Katastrophengebiet gegangen, um persönlich zu helfen, doch die Medienarbeit war definitiv wichtiger, wohl auch, weil mich damals niemand wirklich ablösen konnte …
Das ist heute zum Glück anders …

Thailand

Aufgrund der Meldungen bei der Hotline im Aussenministerium war bald klar, dass auch in Thailand viele vermisste Österreicher zu beklagen sind. Am Abend des 28. Dezember wird daher das zweite Team zusammengestellt und nach Phuket in Thailand entsendet: Unter der Leitung des Niederösterreichers Josef Schmoll flogen: Markus Neumüller (NÖ), Mag. Christian Schönherr (T), Mag. Dr. Elmar Dobernig (K), Dr. Heike Welz (W), Dr. Kurt Lemberger (OÖ), Dr. Thomas Meindl (OÖ) und Wolfgang Egger (KIT Land Steiermark).

Noch am Tag vor Silvester wird ein zweites Team von 10 Personen in die Thailändische Hauptstadt Bangkok entsendet.

Am 29. Dezember ist klar, dass es koordinierte internationale Hilfe geben wird. Die Stiftung Nachbar in Not beschließt, eine eigene Hilfsaktion zu starten und lädt für den 30. Dezember zum Roten Kreuz zur Pressekonferenz ein.

Psychosoziale Unterstützungsangebote

In Österreich gibt es, nicht zuletzt aufgrund der enormen Medienberichterstattung viele Sekundärbetroffene, also Personen, die nicht direkt einen Angehörigen vermissen, aber trotzdem betroffen sind, an eigene Schicksale erinnert wurden, oder aufgrund der Weihnachtsfeiertage besonders anfällig für die dramatischen Katastrophenbilder im Fernsehen waren. Die Ö3- Kummernummer hat daher eine eigene Sendung auf Ö3 gestartet, die im Anschluss als „Ö3 Kummernummer, der Talk“ einige Monate regelmässig mit Gerry Foitik und Sarah Kriesche on Air war. Für die Koordination aller psychosozialen Unterstützungsangebote und die Hilfe an Board kam die Chefpsychologin Dr. Barbara Juen aus Innsbruck nach Wien und war damit bei allen Stabssitzungen mit dabei.

Die Bilanz bis Silvester

Allein in den ersten Tagen waren über 85 Personen des Roten Kreuzes im Einsatz, in Österreich und bei den Repatriierungsflügen. Diese Notärzte, Katastrophenhelfer, Psychologen, Rettungs- und Notfallsanitäter wurden vom Team des Generalsekretariats unterstützt, das ebenfalls mit rund 10 Personen rund um die Uhr on Duty war. Zählt man noch die über 50 Rettungsfahrzeuge dazu, die in den ersten Tagen für die Repatriierungen bereit standen, so ist man rasch bei fast 180 Personen, die hier in den ersten sieben Tagen involviert waren. Zum Glück war dieser Teil der Hilfe in wenigen Wochen abgeschlossen – der viel größere Teil war die internationale Hilfe. Zum Beispiel mit Hilfe der Trinkwasseraufbereitung in Banda Aceh in Indonesien oder der Wiederaufbau in den betroffenen Regionen, der insbesondere in Sri Lanka intensiv und nachhaltig betrieben wurde.

Tsunami Dezmeber 2004Auch wenn viele materielle Schäden behoben werden konnten, wenn Häuser wieder errichtet wurden, die stabiler sind, wenn Familien wieder zusammengeführt werden konnten, bleibt dieser eine Tag vor zehn Jahren in Erinnerung. So wie sich die Generation meiner Eltern erinnern kann, wo sie waren, als der erste Mann auf dem Mond war, so wissen wir, wo wir waren, als wir vom Tsunami gehört haben. Mit diesem Tag war alles irgendwie anders.

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