In Dulag am Dorfplatz

Ein Blogbeitrag von Lidwina Dox aus dem Katastrophengebiet auf den Philippinen:

Es schüttet dermaßen, dass ich die Zeit nutze, ein paar Zeilen zu schreiben…Wir fühlen uns hier in Dulag schon richtig heimisch. Tacloban mit seinem Leyte Park Hotel liegt weit hinter uns! Bei uns im Camp gibt es nun wieder richtiges Essen, genug Wasser zum Trinken, Waschen und WC und Ventilatoren machen das Nachtleben mehr als erträglich.

Das Gefühl selbst ein IDP (internal displaced person) – also ein Flüchtling im eigenen Land – zu sein, ist vorüber… Aber es war eine gute Erfahrung diesen Umständen ausgesetzt zu sein, vor allem wenn man als Hygiene Promotion Delegate hier ist. Man erlebt am eigenen Leib, wie schwierig es unter solchen Umständen ist, den elementaren Hygienealltag einzuhalten. Irgendwann – und zwar schneller als man glaubt – schleicht sich eine gefährliche Gleichgültig ein. Wie muss es dann nur für jemanden sein, der keine Option auf eine schnelle Verbesserung der Lage in Aussicht hat?

IMG_1271_1Unser Camp liegt mitten in Dulag am Dorfplatz, unweit vom Meer entfernt. Gleich neben uns steht eine Kirche im spanischen Stil und direkt daneben die wildromantisch verwachsene Ruine eines alten Hauses. Bisher gab es jeden Abend einen Fackelumzug mit Gesang zu diesen beiden Gebäuden und zurück, sehr stimmungsvoll. Auf der gegenüberliegenden Seite des Platzes steht das zerstörte Gebäude der Polizei und des Gemeindeamts.  Dazwischen hat sich eine „kleine medizinische Katastropheneinheit“ niedergelassen; Kinder werden dort zur Weltgebracht (gestern zum Beispiel zwei), Impfungen durchgeführt, Wunden verbunden…

Die Polizei sitzt im zweiten Stock ihres mauerlosen Hauses und behält den Überblick über den Dorfplatz. Direkt neben unserem Camp baut das Philippinische Rote Kreuz ein Subcamp auf. Wir werden langsam zu einem kleinen Zeltdorf. Auch ACF, Save the Children und andere Organisationen verirren sich gelegentlich hier her, lassen sich jedoch nicht nieder. Das Spanische Rote Kreuz versorgt uns mit Wasser, wir haben einen Bladder (5000) bei uns liegen – und zwischen all dem liegen rechts und links die riesigen meterhohen Wurzeln, Stämme und Äste der umgefallenen Bäume. Vom restlichen Unrat haben wir uns schon befreit.

Der Tag beginnt früh im Camp, zwischen 5 und 5.30 wecken uns täglich die Glocken der Kirche, es wird in Ruhe gefrühstückt und der Arbeitstag beginnt. In den letzten Wochen wurden Kontakte mit den Bürgermeistern der Distrikte Tolosa und Dulag und deren Captains der Barangays geknüpft, mit den Zuständigen für Gesundheit und Sanitärem diskutiert und Pläne entwickelt und natürlich mit dem lokalen Roten Kreuz sowie den Spaniern eine Kooperation aufgebaut. Das Philippinische Rote Kreuz ist sehr klar in seinen Vorstellungen und gibt über weite Bereiche hin genau vor, was zu passieren hat.

Stefan und Thorsten sind mittlerweile voll im sanitären Bereich aktiv, sie kümmern sich hauptsächlich um Schulen, Bianca und ich sind gemeinsam mit dem Philippinischen Rotkreuz-Freiwilligen ganz in Hygiene Promotion eingetaucht. Poster und kleine Booklets wurden im lokalen Dialekt entwickelt und gedruckt, die ersten Trainings sind im Gange, die nächsten schon vorbereitet. Am Freitag beginnen die ersten Aktivitäten der neuausgebildeten Volontäre im Feld… ich bin schon sehr gespannt, wie sie sich schlagen werden. Auch Vectorcontroll wird vorbereitet, es ist nur meine eine Frage der Zeit, dass wir damit beginnen können. Wir werden uns auf Schulen und Gesundheitszentren konzentrieren. Dieter leitet und koordiniert das gesamte  MSM20 Team mit seiner gewohnten Ruhe und gibt uns den Rahmen in Ruhe zu arbeiten.

Tolosa und Dulag, die Distrikte in denen wir aktiv sind, sind schwer in Mitleidenschaft gezogen. Erst gestern wurden wieder drei Leichen freigelegt und begraben, die Lkws und Autos liegen kreuz und quer, die Häuser sind zerstört, alles ist mit Unrat bedeckt, den die Welle und der Wind mit sich gebracht haben. Dennoch schlagen sich die Menschen unglaublich, begegnen uns immer freundlich und mit Dankbarkeit und arbeiten schwer, um ihren Lebensalltag irgendwie in den Griff zu bekommen. Täglich wenn man durch die Straßen fährt, sind Veränderung festzustellen. Und dennoch wird es noch eine Ewigkeit dauern, bis wieder so etwas wie Normalität einkehren wird. Die Menschen hier sind bewundernswert, sie tragen ihr Schicksal mit Fassung!

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