Und wieder mal liege ich im Moskitodome zurück gezogen und schreibe des nouvelles.
Ich weiss nicht, ob sich mein Französisch mittlerweile gebessert hat, ich verstehe aber langsam mehr. Zumindest bilde ich mir das ein.
Nach einem erfolgreichen 1. Kurs hatten wir uns ein Wochenende verdient. Samstag abend verantalteten wir ein kleines MAX Willkommens- (von Alex gebauten) Griller Einweihungs und sowieso und überhaupt BBQ (also auf Deutsch: Grillen). In gemütlicher Runde (wir waren acht) saßen wir etwas zusammen und unser Herr über das Hendl war der Konstrukteur und Erbauer- Alex. Nicht nur als Logistiker ist er begnadet (das sind die Leute, die dafür sorgen, dass ich mein Material zu dem Zeitpunkt in der Menge und an dem Platz habe, an dem ich es brauche) auch als kroatischer Chef de Cuisine ist er unübertroffen. Das ganze dauert 2 bis 3 Stunden. Nicht vergessen, wir haben vorher gearbeitet und auch wenn bei uns die Sicherheitsbstimmungen im Gegensatz zu PaP liberaler sind, heisst es trotzdem, dass um 22 Uhr jeder in seinem Haus zu sein hat und alleine hat sowieso niemand was ausserhalb des Hauses bzw. des Office auf der Strasse zu suchen. Wie gesagt, es ist ruhig, aber nicht immer ungefährlich.
Die Hauptgefahr lauert auf den Strassen. Soweit ich weiss, sind die Hauptverletzungsursachen von Delegierten im Ausland Unfälle im Strassenverkehr. Wobei die Regel gilt bei LKW von vorne, links, rechts, hinten oder Nebenfahrbahn hat er Vorfahrt, es sei denn es geht sich aus. Diese MACK LKWs sind riesig, fahren im Schnitt 70-90 km/h und sind von Natur aus stärker. In meinem 1. Einsatz waren wir durch die Landcruiser (Geländewägen einer japan. Automarke) geschützt. Hier fährt aber jeder so ein Ding. Warum wir um 22 Uhr im Bett respektive im Haus sein sollen erklären auch folgende Argumente:
1. Die Strasse, so es eine gibt besteht aus Asphalt und 50-70% Löchern, die schnell mal 30cm tief sind und sich über die gesamte Fahrbahnbreite erstrecken können.
2. In der Nacht fahren Autos mit entweder Fernlicht oder ohne Licht. Man kann sich jetzt aussuchen, was man lieber hat: geblendet werden oder den anderen auch nicht sehen.
Jeden Tag sterben Menschen, weil Autos ausweichen, sie übersehen oder weil der andere Verkehrsteilnehmer stärker ist. Es gibt auch einige Wracks nach Frontalcrash hier. Also ich bin lieber in meinem Moskitodome und schreibe hier.
Am Sonntag war dann frei. Nein, wir arbeiten nicht 7 Tage die Woche. Es gibt Kollegen, die sind seit Mai hier. Wer würde diese Art von Arbeit 10 Monate aushalten? Nicht zu vergessen, dass auch unsere lokalen Mitarbeiter gerne mal frei haben. Jeder hängt sonntags seinen eigenen Gedanken nach. Lesen, surfen, mit der Heimat sprechen- Skype sei Dank…
Aber genug davon. Heute wurde der 2. Kurs erfolgreich beendet. Er wurde diesmal in einer Kirche abgehalten. Überhaupt scheint die Religion hier eine große Rolle zu spielen. Der überwiegende Teil hier ist christlich (röm. kath, protestantisch,… Aufzählung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit) und ein bisschen Vodoo. Wird auch praktiziert, angeblich zumindest. Auf jeden Fall beginnt der Fortbildungstag mit einem kleinen Gebet der Teilnehmer.(Auch hier: wir akzeptieren diese Einstellung, heissen sie aber weder gut noch schlecht. Es sind lediglich meine Beobachtungen)
Ich lerne auch meine Teammitglieder immer besser kennen. Sie haben Geduld und sprechen so langsam (im Notfall mit ein bisserl English) dass ich mit komme. Einzig unsere Ladies, die die Schulungen durchführen: ich bekomme ganz ehrlich nicht mit, wann Nicol, die Trainerin auf English wechselt. Es hört sich alles irgendwie gleich unverständlich an. Ist aber auch egal und eher amusant. Mein Team zeigt mir, wenn wir Zeit haben, die Schönheit des Landes, macht mich auf verschiedene Dinge aufmerksam.
Jackie zeigte mir die Schule, die wir mit betreuen, die ich aber bisher noch nicht gesehen hatte. 4 Räume für theoretisch knapp 4000 Kinder die schulpflichtig wären. Es gibt eine Tafel, aber kaum Stifte geschweige denn Schreibpapier. Die Menschen, die es schaffen zu studieren und Ärzte, Professoren oder was auch immer zu werden, kehren oft der Heimat den Rücken, weil in franz. sprechenden Ländern (Kanada, Frankreich,..) mehr Geld zu verdienen ist. Ein nicht unerheblicher Teil des haitianischen Einkommens besteht aus Überweisungen von Haitianern, die ihr Geld auswärts verdienen, um der Familie daheim ein Überleben zu ermöglichen. Auch ich habe mich gefragt, wie es für mich wäre, ins Ausland gehen zu müssen, damit meine Familie daheim überleben kann…. Ich bin zu keiner zufrieden stellenden Entscheidung gekommen. Man darf aber auch nicht vergessen, dass während des Bebens auch die Universität in PaP zerstört worden ist. Also wieder schwerer Fachkräfte auszubilden…
Mit diesem eher traurigen Thema möchte ich aber nicht enden.
Ich möchte zum Abschluß meinen Teamkollegen noch danken, dass sie mir nette Geschichten über Vogelspinnen erzählt haben. 3 Tage danach habe ich immer noch selbst in meinem Zimmer Schlapfen angezogen und checke den Weg aufs Klo immer genau ab. Ich weiss, dass sie ungiftig sind, aber sollte so ein Vieh vor meinem Moskitodom auftauchen, gibt es einen Anruf via Handy (das ist immer im Dom drin) ans Rote Kreuz nach Wien mit den Worten:“ ICH BIN EIN STAR HOLT MICH HIER RAUS.“ Dann werde ich ohne Stern gehen. Es gibt ohnehin (wie gestern und heute) Reis für alle. Oder irgendwer muss mich bergen und mich wiederbeleben nach dem Herzinfarkt. (Mindestens so wie auf dem Bild sollen die hier aussehen) In diesem Sinne. A plutard