Zu Weihnachten in Pakistan?

Unsere Delegierten aus Pakistan melden sich nach den Feiertagen mit einem Bericht über die Situation vor Ort.

Das Warten hat ein Ende

Das lange Warten hat ein Ende: Nach einem endlos erscheinenden Hin und Her wurden unsere Visa von der pakistanischen Botschaft endlich ausgestellt. Jetzt kann es losgehen, der Abflug von Markus, Werner und mir ist am späten Nachmittag des 15. Dezember. Nach einem Nachtflug mit wenig Schlaf landen wir am Freitag in der Früh in Karachi und werden von unserem Fahrer bereits – nicht erwartet. Irgendwas ist schiefgegangen, aber nach einem Telefonat und einer kurzen Wartezeit, die wir zum Geldwechseln nutzen, werden wir abgeholt und ins Hotel gebracht. Am Nachmittag und dem darauffolgenden Vormittag Briefings (Security, Finanzen, allgemeine Lage), und wir realisieren erst im Laufe der nächsten Tage, wie wenig wir uns alle aufgrund unseres Schlafmangels gemerkt haben.

Nur weg aus der Großstadt

Rotkreuz-Arbeit in Pakistan
Rotkreuz-Arbeit in Pakistan: Ein großes Team mit internationalen und regionalen Mitarbeitern.

Am Samstag gegen Mittag verlassen wir endlich die ehemalige Hauptstadt Karachi, diesen lauten, stinkenden Molloch mit seinen geschätzten 13 Millionen Einwohnern und fahren nach Nawabshah. Dort erwartet uns Robert, der Teamleader des 2. Teams, der tapfer und alleine die Stellung hält. Wobei „alleine“ natürlich relativ zu sehen ist, immerhin hat er ein kleines Unternehmen mit ca. 40 Mitarbeitern (Freiwillige des Pakistanischen Roten Halbmonds PRCS, Fahrer,…) und einem Fuhrpark bestehend aus 7 PKW und 4 LKW zu führen! Und hier erlebe ich zum ersten Mal hautnah und live, was ich schon so oft in der Theorie gehört habe: Das Rote Kreuz bzw. den Roten Halbmond gibt es in jedem Land der Welt, und wo wir hinkommen werden wir bereits von unseren Kollegen der nationalen Gesellschaft herzlich begrüßt. Diese lokalen freiwilligen Mitarbeiter sind ein unschätzbarer Wert in einem Land, dessen Sprache man nicht spricht und dessen Bräuche man nicht kennt. Man stelle sich nur vor, man übersiedelt als Österreicher z.B. nach Albanien. Es dauert Wochen, bis man sich ein wenig auskennt und weiß, wo man was kaufen kann, welche Orte man meiden sollte oder welche Verhaltensweisen wann angebracht sind oder nicht. Durch unsere Kollegen vom PRCS haben wir sofort „Familienanschluß“, und wir alle haben das gleiche gemeinsame Ziel vor Augen. Ich versuche mir vorzustellen, wie es Mitarbeitern anderer Hilfsorganisationen wohl gehen mag, die diese einmalige Unterstützung vor Ort nicht haben.

Latrinenoprimierung als Ziel?

Rotkreuz-Arbeit in Pakistan
Rotkreuz-Arbeit in Pakistan. Ein Wassertank auf einem Damm im Überschwemmungsgebiet.

Die drei Water plants in Nawabshah, Sakrand und Shapur sind in einem guten Zustand und der Betrieb inklusive Wasserverteilung läuft reibungslos. Nach dem letzten Briefing mit Robert, bei dem wir nun wirklich die Situation vor Ort erfahren, versuchen wir uns in den ersten Tagen mittels sog. Rapid Assessments ein eigenes Bild zu machen. Es gibt zwar auch 4 Monate nach dem großen Monsoon immer noch weite Landstriche, die Aufgrund des dichten, lehmigen Bodens überschwemmt sind, aber in den meisten Dörfern hat sich die Situation soweit normalisiert, daß wir mit dem Abbau unserer Infrastruktur bald beginnen können. In einem Zelt-Camp neben einer Landwirtschafts-Schule (Agricultural College) in Sakrand ist allerdings noch Aufbau-Arbeit zu leisten. Die sanitäre Situation der ca. 200 Familien ist unbefriedigend, es gibt nur ein paar notdürfig gebastelte Latrinen, die meisten machen ihr „Geschäft“ auf eine Grünfläche neben dem Camp. Das 2. Team hat bereits einen Prototyp einer sog. VIP-Latrine (Ventilated Improved Pit) mit lokal erhältlichen Materialien gebaut, davon stellen wir gemeinsam mit unseren PRCS-Kollegen in 3 Tagen 25 Stück auf. Aber damit allein ist es nicht getan, unterstützend dazu hält Caroline, unsere schwedische Kollegin, mit ihrem Team aus 8 lokalen Mitarbeitern Hygiene Promotion Trainings ab. Dabei wird mit einfachsten Mitteln versucht, Verhaltensregeln weiterzugeben, um die Verbreitung von Krankheiten zu verhindern, die mit Fäkalien in Verbindung stehen. So wie in den meisten Krisen- und Katastrophensituationen sind auch hier vor allem die ärmeren Bevölkerungsschichten betroffen, und unter diesen ist die Alphabetisierungsrate nicht gerade hoch. Deshalb müssen die Messages primär über Bilder und verbal verbreitet werden, wobei sich hier wieder das Problem stellt, daß diese Menschen kein Englisch sprechen und oft nicht einmal die pakistanische Amtssprache Urdu, sondern nur Sindhi, die lokale Amtssprache der Provinz Sindh.

Zu Weihnachten in Pakistan

Rotkreuz-Arbeit in Pakistan
Rotkreuz-Arbeit in Pakistan: Eine Latrine, die vom Rotkreuz-Projekt errichtet wurde.

Von 24.12. bis 28.12. mußten wir zurück nach Karachi, da am 25. (Geburtstag des Staatsgründers) und am 27. (Todestag von Benazir Bhutto, die aus Sindh stammte) Feiertage sind. Aus Sicherheitsgründen dürfen wir Delegierten uns an solchen Tagen nicht außerhalb der Stadt bewegen, und da unser Aktionsradius in Nawabshah ohnehin sehr eingeschränkt gewesen wäre, haben wir die Gelegenheit genutzt, um mit den Kollegen den Deutschen Roten Kreuzes (bestehend aus einem Deutschen, einer Kärntnerin, einer Kroatin, einem Äthiopier und einem Libanesen) die Weihnachtsfeiertage zu verbringen.

Und da ich gerade beim Thema Sicherheit bin: Die Situation hier vor Ort (speziell in Nawabshah, das in einer sehr ländlichen Region liegt) ist für uns vollkommen ungefährlich. Sowohl der Rote Halbmond als auch die Föderation (IFRC) genießen ein hohes Ansehen, die Leute lächeln uns an und begrüßen uns herzlich, wenn wir in die Dörfer kommen. Natürlich patrolieren Polizei und Rangers (Spezialeinheit der Armee) mit ihren Pickups mit den darauf montierten Maschinengewehren, und in der Nacht werden die großen Kreuzungen von Polizisten mit MG bewacht. Aber ich habe mich in den zwei Wochen, die wir nun hier sind, nie auch nur eine Minute unsicher gefühlt.

Jetzt ist es schon wieder Mitternacht geworden, so wie jeden Abend. In nicht einmal 6 Stunden beginnen die Muhezzine wieder mit ihrem „Gesang“, dann ist in meinem Zimmer leider nicht mehr an Schlaf zu denken. Ich werde mich deshalb nun in die Horizontale begeben, aber ich melde mich wieder!

10 Kommentare

  1. Wir (Regina und ich) wünschen Euch viel Erfolg bei Eurer Unternehmung und einen guten Rutsch ins neue Jahr!
    Was Ihr vor Ort leistet verdient höchten Respekt!

    GLG Regina und Leo

  2. Wünsche euch einen guten Rutsch und richtet meinen freunden vom PRCS und DRK einen recht schönen Gruß von Willipani aus.
    Wilfried (Team1)

  3. Wir wünschen den fleissigen Wasseraufbereitern in Pakistan, insbesondere dem Österreichischen Team und Andreas Gradischar alles Gute im Neuen Jahr und immer ausreichend gutes Wasser.

    Familie Kothbauer-Mayer

  4. Hallo Gradi! Ich wünsche Dir ein gutes Neues Jahr und alles Gute und viel Glück in Pakistan! Komm wieder gut zurück! Liebe Grüße aus dem Ländle, Christine

  5. Tja Andi,

    das ist ja ein toller Bericht und Erfahrungen, die man sonst eher selten bekommt. Wir finden deine Arbeit wirklich interessant und wichtig und sind sicher, daß das nich dein letzter Einsatz war.
    Komm wieder gut und gesund nach Hause und ein gutes, erfolgreiches neues Jahr
    Otto + Moni

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